Arams Sündenbabel
Bis auf heute morgen. Da sah ich, wie jemand umgebracht wurde.« Er lachte und strich wieder über Stirn und Augen. »Aber auch nicht richtig umgebracht. Ich meine, eigentlich schon, doch nicht so, dass Blut geflossen ist. Das... das... muss schon vorher geflossen sein.«
Ich glaubte ihm. Auch weil ich daran dachte, welche Szene ich gesehen hatte. In diesem Hotel waren damals schreckliche Dinge abgelaufen. Es waren auch keine normalen Orgien gewesen. Dahinter hatte mehr gesteckt. Jeder, der hier mitgemischt hatte, musste auch vom Teufel beeinflusst worden sein.
Aram’s Stimme zitterte, als er mich fragte: »Was... was... wollen sie von mir?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, ehrlich nicht.«
»Aber warum gerade ich? Warum kein anderer? Ich bin doch gar nicht so interessant.
»Für die andere Seite schon.«
»Das sind die Toten, nicht?«
»Ja.«
»Welche, die nicht sterben können.« Er ballte die Hände zu Fäusten. »Warum nicht, Mr. Sinclair? Warum können sie denn nicht sterben? Ich... ich... finde einfach keine Lösung. Da muss doch mehr dahinterstecken? Wissen Sie das?«
»Ich weiß nicht alles. Ich weiß auch nicht, was hier genau abgeht. Aber ich kann mir vorstellen, dass diese Gestalten hier etwas abzuarbeiten haben.«
»Was könnte das denn sein?«
»Wenn ich das wüsste«, murmelte ich. »Sie haben in ihrem Leben Unrecht getan. Als sie noch lebten, hielten sie es für nicht so schlimm. Es gehörte dazu. Sie waren ja Menschen, die über den anderen standen. Stars von Film und Bühne. Es gehörte dazu, gewisse Konventionen zu sprengen. Immer etwas Neues auszuprobieren. Alkohol und Drogen reichten da nicht. Der Kick musste höher angesetzt werden, immer höher. Da kamen sie eben auf gewisse Ideen, die sie dann in die Praxis umgesetzt haben. Ich habe so etwas Ähnliches schon einmal erlebt. Es liegt länger zurück.«
Aram de Fries hatte staunend zugehört. »Was Sie da gesagt haben, Mr. Sinclair, damit haben Sie doch nicht die heutige Zeit gemeint – oder?«
»Nein, die ehemalige. Es gibt nichts, was es nicht schon gegeben hätte. Auch damals gab es Drogen und Exzesse. Wenn mir jemand erzählen will, dass die alten Zeiten besser gewesen sind, kann ich nur den Kopf schütteln. Sie waren es nicht. Manche Leute haben schon immer alles getan, um sich ausleben zu können. Manche ganz offen, andere versteckt. Das ist und war nun mal so.«
Aram’s Furcht war einer gewissen Nachdenklichkeit gewichen. »Wenn ich Sie so höre und darüber nachdenke, muss ich Ihnen zustimmen. Das ist wohl alles so richtig.« Er trat jetzt über die Schwelle und ging bis zur Treppe, über die er nach unten schaute. Dort bewegte sich nichts. Es blieb auch alles still. Bis auf ein leises Knacken, das uns beide zusammenzucken ließ.
Ich drehte mich halb herum.
Das Knacken hatte die Tote abgegeben. Der Kopf war etwas zur Seite gesunken. Er wurde von der Wand noch abgestützt, und das Gesicht starrte uns entgegen.
Die Augen gab es noch. Sie wirkten wie dunkle Perlen und glotzten ins Leere.
»Das war erst der Anfang!« flüsterte Aram. »Es wird weitergehen, das spüre ich.«
»Wie meinen Sie das?«
Er sah zu Boden, als male sich dort die Lösung seines Problems ab. »Das ist mir bekannt, Mr. Sinclair. Ich habe es Ihnen nur nicht gesagt. Die Stimmen, die mich in der Nacht überfielen, haben mir davon berichtet. Auch von der alten Zeit, die wieder zurückkehren soll. Ja, sie soll wieder erscheinen. Alles beginnt wieder von vorn. Oder muss von vorn beginnen, weil die verflucht sind.« Er bewegte sich und blickte mir ins Gesicht. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
»Sagen Sie es mir, Aram!«
»Die Toten kehren zurück, um ein Fest zu feiern. Ja, sie werden sich hier zeigen. Anders als früher, aber ich weiß jetzt, dass es die gleichen sind.«
Ich wusste, dass er auf meine Antwort wartete, und den Gefallen tat ich ihm auch. »Sie haben es begriffen, Aram, denn so sehe ich es auch. Die Toten kehren in anderen Gestalten zurück, und wir können daran nichts ändern.«
»Ich habe Angst...«
»Das kann ich verstehen.«
»Soll ich fliehen?«
»Es wäre das Beste.«
Er hatte mich schon begriffen und fragte: »Aber dazu raten würden Sie mir nicht?«
»Nein. Ich will es Ihnen auch erklären, Aram. Man wird Sie nicht entkommen lassen. Es ist für Sie leider unmöglich. Sie werden hier bleiben müssen. Man will Sie haben. Sie können es versuchen, wenn ich in Ihrer Nähe bin, aber ich glaube kaum, dass es etwas nutzen
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