Arbeit: Warum unser Glück von ihr abhängt und wie sie uns krank macht (German Edition)
Freude an der Arbeit ist daher, dass wir uns ins Bewusstsein rufen und uns gegen seitig darin bestärken, dass jeder Mensch einen Wert und einen Anspruch auf Würde und Respekt besitzt. Wem Würde und Respekt verweigert werden, der wird auch seine Arbeit als wert- und sinnlos erleben. Wer ungeachtet dessen gezwungen ist, zu arbeiten, wird am Ende krank werden.
Menschen brauchen Resonanzmomente zwischen sich und der Welt, in der sie leben 403 . Resonanzerfahrungen sind eine wichtige Quelle für die Freude an der Arbeit. Wem am Arbeitsplatz etwas gelungen ist, erlebt Selbstwirksamkeit, das heißt, er erfährt die Wirksamkeit seines eigenen Tuns, was wiederum eine Resonanzerfahrung zur Folge haben kann. Viele Beschäftigte – aber auch viele Unternehmer oder Vorgesetzte – achten nicht auf die bei der Arbeit gegebenen Chancen, Resonanz- oder Selbstwirksamkeitserfahrungen möglich zu machen. Manchmal muss man derartige Möglichkeiten erst entdecken. Nicht jeder Arbeitsplatz bietet jedem die Möglichkeit, Resonanz oder Selbstwirksamkeit zu erleben. Voraussetzung ist, dass Mensch und Arbeitsaufgabe zueinander passen. Tun sie das nicht, dann sollte untersucht werden, was die Person selbst tun kann und was am Arbeitsplatz verändert werden sollte, damit eine hinreichende Passung hergestellt wird. Arbeitsplätze, bei denen eine Passung beim besten Willen nicht hergestellt werden kann, müssen völlig neu eingerichtet oder abgeschafft werden.
Auch die Einpassung der Berufstätigkeit in einen lebensgeschichtlichen Zusammenhang ist eine der Voraussetzungen dafür, dass die Arbeit einen Beitrag zu einem guten Leben leisten kann. Die Chancen, eine zusammenhängende berufliche Laufbahn zu durchlaufen, sind in den letzten Jahren zurückgegangen. Auf dem Vormarsch sind Arbeitsangebote, die Richard Sennett »McJobs« nannte 404 . Berufliche Wege, die eine Entwicklung ermöglichen, sind in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Wenn sich über Jahre angesammeltes Erfahrungswissen zu einem späteren Zeitpunkt auszahlt, haben Beschäftigte ein Motiv, das zu entwickeln, was Richard Sennett eine »handwerkliche Einstellung« nannte, was bedeutet: eine Sache um ihrer selbst willen »gut« machen. Und: Nur unter Bedingungen, die eine kontinuierliche berufliche Planung ermöglichen, sind junge Leute bereit, eine Familie zu gründen.
Zum Abschluss des Buches soll ausgeführt werden, welche Beiträge von unterschiedlicher Seite für das Gelingen guter Arbeit zu leisten sind. Beiträge dazu müssen von der Person des Beschäftigten, von der jeweiligen Kollegen-Gemeinschaft der Beschäftigten, von der Führungsebene, von der betrieblichen Gesundheitsvorsorge sowie von Gewerkschafts- und von Arbeitgeberseite kommen. Außerhalb von Betrieben und Einrichtungen, in denen gearbeitet wird, sind zwei Bereiche von Belang: das Feld der Politik und das der Erziehung und Ausbildung. Entsprechend wird nachfolgend versucht, eine Reihe von Aspekten anzusprechen, die mit diesen, zum Bereich der Arbeit gehörenden Dimensionen verbunden sind.
Die Arbeit, die Freude am Leben und die Fähigkeit zur Muße
Menschen haben eine bereits bei Kindern beobachtbare Tendenz, einen andauernden, von außen auf sie ausgeübten Druck, der sich auf absehbare Zeit nicht beseitigen lässt, zu ihrem eigenen Anliegen zu machen. Dieser Mechanismus, den ich nachfolgend kurz kritisch betrachten möchte, hat offenbar gewisse Vorteile, sonst hätte er sich kaum entwickelt. Ein Vorteil ergibt sich unter anderem daraus, dass die Demütigung und der Kontrollverslust, der mit der Unterordnung unter den Willen des Schicksals oder dem eines anderen Menschen verbunden ist, gemildert oder beseitigt wird, sobald wir uns mit dem, was uns aufgebürdet wurde, kurzerhand identifizieren, es also zu unserer eigenen Sache machen. Bei Kindern und Jugendlichen wird der Mechanismus, sich das zu eigen zu machen, was einem von den Eltern auferlegt wurde, noch dadurch unterstützt, dass sie auf ihre erwachsenen Erzieher angewiesen sind. Nichts wünschen sich Kinder so dringend wie die Bindung und soziale Akzeptanz der Erwachsenen, mit denen sie zusammenleben. Also fangen sie nach einiger Zeit an, selbst zu tun und irgendwann sogar selbst zu wollen, was wir ihnen sagen. Dieser psychologische Mechanismus der sogenannten »Identifikation mit dem Aggressor«, der nicht nur beim Kind, sondern auch bei Erwachsenen funktioniert, hat gute, aber auch bedenkliche, schlechte Seiten. Er begegnet uns auch im Bereich der
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