Arche Noah | Roman aus Ägypten
Hâgar herzlich und spähte aus dem Fenster nach der somalischen Maschine.
D en Kauf der neuen Schlafzimmereinrichtung, für die er von Doktor Mustafa Geld bekommen hatte, sparte sich Aiman. Denn von seinem Schlafzimmer hatte er definitiv keine Aufnahmen im Fotoalbum gehabt, das wusste er. Schliesslich hatte er, um Peinlichkeiten zu vermeiden, das Album mehrmals daraufhin durchgeblättert. Anstandshalber aber war er gewillt, mehrere Garnituren neue Bettwäsche zu kaufen. Was steckte hinter seinem Verhalten? Geiz? Ganz und gar nicht. Nein, Aiman war ein durch und durch praktisch veranlagter Mann. Er hatte die Möbel aufs genaueste geprüft und festgestellt, dass das Holz noch einwandfrei war. Unter den Bedingungen fand er es reichlich töricht, sie zu entsorgen. In den Vereinigten Staaten rechnete es sich nämlich eher, die Möbel einfach auf die Strasse zu stellen – vorausgesetzt, man liesse sich dabei nicht erwischen –, als sie zum Verkauf irgendwohin zu transportieren. Stattdessen brachte Aiman etwas viel Wesentlicheres zuwege: eine komplette Wohnungsrenovierung in Form eines neuen Anstrichs aller Räume in zartem Pistaziengrün, ausgeführt von Abdallatîf alias Tîfa, einem Angestellten seines Restaurants. Dass die Malerarbeiten nur einen Bruchteil desBetrags kosteten, den er von seinem Schwiegervater erhalten hatte, kümmerte ihn herzlich wenig.
Er mietete einen kleinen Festsaal in der Jersey Street und erstellte eine Liste der Hochzeitsgäste. All seine Bekannten und die Bekannten seiner Bekannten, insgesamt kaum mehr als vierzig Personen. Die Einladungskarten liess er von Mûssa, seinem sudanesischen Mitarbeiter, persönlich den Empfängern übergeben.
Aiman koordinierte alle Vorbereitungen für diesen lang ersehnten Abend bis ins kleinste Detail. Das Glück habe sich, so bestätigte er sich selbst, nun endlich auch ihm zugewandt. Der letzte Gang führte ihn zum Blumenhändler. Für das Schmücken des Festsaals verlangte der Florist, Mister Howardson, 1000 Dollar. Mit Entsetzen vernahm Aiman die Zahl, liess sich am Ende aber wohl oder übel darauf ein.
Als alles für das Fest und für Hâgars Empfang am Flughafen bereit war, übermannte Aiman die Lust. All die Jahre in den Vereinigten Staaten hatte er auf jeden sexuellen Kontakt mit Frauen verzichtet. Er war von der Vorstellung beherrscht, dass die Amerikanerinnen unrein seien. Ausserdem hatte er Angst vor Aids. Deshalb hatte er sich darauf beschränkt, hin und wieder Lokalitäten aufzusuchen, in denen das Essen nackt serviert wurde, und mit den Augen zu verfolgen, wie den Kellnerinnen mit jedem Schritt die Brüste auf und ab hüpften oder nach rechts und links ausschlugen. Anschliessend eilte er heim, um mit sich allein zu sein. Busen in allen erdenklichen Formen und Grössen anzusehen machte ihn überaus glücklich. Er sei, wie er sich gern rühmte, der weltweit grösste Experte in Sachen Busen.Mit der Zeit glaubte er, den Frauen ganz entsagen zu müssen, weil Unzucht Sünde und er ein gottesfürchtiger Mann sei. Dies führte zu einer stetig wachsenden Frömmigkeit, gepaart mit einer Unterdrückung des Sexualtriebs. So ging die Lust, die in ihm erwachte, während er auf seine Braut wartete, mit allerlei Phantasien einher. Diese speisten sich aus den vielen Pornovideos, die er sich vor dem Schlafengehen in rauen Mengen zu Gemüte führte.
S chau, ich habe mich mein Leben lang abgerackert. Regelrecht durch Felsgestein habe ich mich gebissen. Jeden einzelnen Cent habe ich im Schweisse meines Angesichts hart erarbeitet. Nie habe ich jemandem auf der Tasche gelegen. Alle kommen zum Arbeiten her, weil es ihnen dreckig geht. Also müssen wir irgendwie miteinander auskommen. Ich folge der Devise »leben und leben lassen«. Jedenfalls finde ich, dass ich nach all der Plackerei eine anständige Frau aus gutem Hause verdient habe. Seit über sieben Jahren versuche ich verzweifelt zu heiraten. Ich nahm mehrere Anläufe, hatte aber jedes Mal Pech. Es ist nicht einfach. Immer wenn ich auf Brautsuche nach Ägypten flog, traf ich hunderttausend heiratswillige Frauen. Die wollten aber alle in erster Linie nach Amerika. Wie hätte ich da meine Wahl treffen können? Eine unlösbare Aufgabe.
Bis zum allerletzten Tag vor der Abreise bin ich von einem Termin mit einer potentiellen Braut zum anderen gehetzt. So konnte ich ja wohl kaum eine Frau richtig kennenlernen. Ich habe mich mehrmals verlobt, bin aber jedes Mal reingefallen. Eine Erfahrung schlimmer als die
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