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Arche Noah | Roman aus Ägypten

Arche Noah | Roman aus Ägypten

Titel: Arche Noah | Roman aus Ägypten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chalid al-Chamissi
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tritt jetzt in einen neuen Abschnitt ihres Lebens ein. Sie reist zum ersten Mal. Bestimmt ist sie unsicher und voller Angst. Du musst sie beschützen, Aiman.«
    »Keine Sorge, Doktor Mustafa. Ich werde sie hüten wie meinen Augapfel. Ich habe eine schöne Party für sie vorbereitet. Ausserdem habe ich alle Blumen in Amerika aufgekauft und noch welche aus Kanada dazu. Schliesslich haben wir nur diese eine Hâgar!«
    »Gott segne dich, mein Sohn. Ich erwarte deinen Anruf. Sobald sie bei dir ist, will ich mit ihr sprechen.«
    Zwei Tränen, die er seit ungefähr einer Stunde zurückzuhalten suchte, liefen ihm aus den Augen. Dann schaute er zum Himmel und wünschte seiner teuren Tochter ein unbescholtenes Leben.
    A m John-F.-Kennedy-Flughafen angekommen, stellte sich Hâgar in eine endlos lange Warteschlange und betrachtete die gigantischen Plakate überall um sich herum, die davor warnten, die Fragen der Paradieswächter, der sogenannten »neuen Cowboys«, ironisch zu kommentieren oder zu belächeln.
    Die Ägypter, die mit in der Schlange standen, beglückwünschten sie. Alle anderen Reisenden sahen sie verwundertan. Endlich war sie an der Reihe, dem Beamten ihren Pass vorzulegen.
    »Grund Ihrer Reise?«
    »Ich habe einen Ägypter mit amerikanischer Nationalität geheiratet und komme, um mit ihm zu leben.«
    »Wie heisst Ihr Mann?«
    »Aiman Subhi.«
    Hâgar betrachtete den Beamten. Er sah gut aus. Jung, ozeanblaue Augen und eine Nase wie Elizabeth Taylor.
    »Ist das Ihre erste Reise in die Vereinigten Staaten?«
    »Ja.«
    »Haben Sie Waffen oder Sprengstoff im Gepäck?«
    Hâgar musste sich zusammenreissen, um nicht laut loszulachen. Offensichtlich schützte ihn sein gutes Aussehen nicht vor Dummheit.
    »Nein.«
    »Haben Sie Nahrungsmittel im Gepäck?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Medikamente im Gepäck?«
    Hâgar schüttelte den Kopf.
    »Haben Sie Geschenke dabei?«
    »Nein.«
    »Wie viel Bargeld tragen Sie bei sich?«
    »Ungefähr 800 Dollar.«
    »Ungefähr? Sie haben also nicht mehr als 1000 Dollar in bar dabei, richtig?«
    »Ja.«
    »Wie lautet Ihre Adresse in den Vereinigten Staaten?«
    »Die Adresse steht auf dem Zettel dort.«
    »Was ist Ihr Mann von Beruf?«
    »Geschäftsmann.«
    »In welcher Branche?«
    »Er besitzt ein Pizzarestaurant in Paterson, New Jersey.«
    »Gehen Sie bitte links entlang. Dort werden Sie von einem Offizier in Empfang genommen.«
    Hâgar schaute einen Reisenden hilfesuchend an. »Ich habe nichts verstanden. Bin ich jetzt fertig?«
    »Von wegen fertig!«, sagte ein anderer. »Fertig sind Sie noch lange nicht. Das war erst das Vorspiel. Gehen Sie jetzt geradeaus weiter. Sehen Sie die Stuhlreihe dort am Ende des Ganges? Geben Sie Ihren Pass der schwarzen Frau, die aussieht wie ein fetter Sack. Dann setzen Sie sich und warten, bis Sie an der Reihe sind. Die Fragerunde steht noch an. Man wird Sie über Ihr Leben ausquetschen, bis zu Ihrer Geburt zurück.«
    Etwa zwei Stunden wartete Hâgar und schwitzte Blut und Wasser. Immer wieder liess sie ihr Leben Revue passieren und suchte nach Anhaltspunkten, wo sie etwas falsch gemacht haben könnte. Würde man herausfinden, dass sie bei der Schariaprüfung abgeschrieben hatte, um nicht durchzufallen? Würden sie ihre Tasche durchwühlen und entdecken, dass sie dem Beamten die Glückspillen verheimlicht hatte? Akribisch durchforstete sie ihre Geschichte nach Schwachstellen.
    Sie rekapitulierte im Geist, was sie eingepackt hatte. Mit Schrecken fiel ihr ein, dass Achmads Geburtstagsgeschenk in ihrer Tasche lag. Sie hatte sich davon nicht trennen können, zumal sie darauf hoffte, ihn in den Vereinigten Staaten zu treffen. Irgendwann, dessen war sie sich sicher, würde sie ihm das Geschenk noch geben. Da sie den Beamtendiesbezüglich angelogen hatte, überlegte sie, was sie zu ihrer Verteidigung vorzubringen hätte.
    Während sie dasass, beobachtete sie entgeistert, dass die Piloten und Stewardessen der EgyptAir-Maschine ebenfalls darauf warteten, verhört zu werden. Sie betrachtete all die Gesichter, die nach elf Stunden Reise müde und abgespannt aussahen. Dann wurde ein Name aufgerufen, der gewisse Ähnlichkeit mit ihrem hatte: »Aagi Mustafa, Aagi Mustafa.« Sie erhob sich und zeigte mit der Hand auf sich: Bin ich gemeint? Der Beamte nickte. Sie trat an ihn heran.
    »Aagi Mustafa?«
    Hâgar warf einen Blick auf den Pass, um zu sehen, ob es ihrer war. Der Offizier tippte beflissen irgendetwas in den Computer, obwohl sie noch kein Wort gesagt

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