Arche Noah | Roman aus Ägypten
hatte die Mundwinkel krampfhaft zu einem Lächeln verzogen. Unwillkürlich prallte ihr Blick gegen die niedrige Decke, wanderte weiter zum Kronleuchter und über die glitzernden Kristallelemente abwärts. Der Stille dieses atemlos erwarteten Moments setzten die Gäste mit lautem Beifall ein Ende. Eine Frau stiess einen schrillen Jubeltriller aus, und augenblicklich kam heiter-ausgelassene Stimmung auf. Während das Brautpaar zum Hochzeitsthron schritt, spielte DJ Mûssa das unsterbliche Lied von Farîd al-Atrasch, Stosst an, Leute, lasst die Gläser klingen!.
Braut und Bräutigam nahmen in den beiden ausladenden, an der Stirnseite des Saals aufgestellten Sesseln Platz. Wieder stiess die Frau einen Jubeltriller aus, allerdings etwas zurückhaltender als beim ersten Mal.
Die Aufregung im Saal legte sich. Abdallatîf zählte mit Adleraugen bereits zum zweiten Mal die Blumengestecke auf den Tischen und musterte gierig den grossen, bunten Strauss hinter dem Brautpaar. Unvermittelt ging er darauf zu, um zu überprüfen, ob die Vase auch sicher stand. Böse Überraschungen, die ihm den Wiederverkauf der Blumen vereitelten, wollte er unbedingt vermeiden. Er merkte, wie ihn alle verwundert anstarrten. Also lenkte er seine Schritte um, trat vor das Brautpaar und begrüsste es, wie der Anstand es gebot, in aller Form, ohne dabei aber den Strauss aus dem Blick zu verlieren. Der Bräutigam umarmte und küsste ihn. Die Braut stand auf und reichte ihm die Hand im Spitzenhandschuh. Tîfa sah sie zum ersten Mal und fand, dass sie den Mund krampfartig verzerrte und ihr Gesicht dadurch wächsern wirkte. Zu einem Lächeln war er in dem Augenblick nicht fähig, denn er dachte verbissen darüber nach, wie er das Fest frühzeitig beenden könnte, um seiner Aufgabe nachzukommen und die Blumen in noch frischem Zustand zu verkaufen. Ihm kam eine Idee, eine geniale Idee, wie er fand, weil er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen würde: Er beschloss, das Abendessen um eine Stunde vorzuverlegen. Und nun war er auch imstande, das Lächeln der Braut zu erwidern, die ihm, so starr grinsend, leicht debil vorkam. Entschlossen ging er in die Küche, um sich seinen Kochkünsten zu widmen und ein königliches Entenmahl zu zaubern.
G ott mag mich ausgesprochen gern. Solange ich denken kann, verwöhnt Er mich. Manche Menschen haben eben Glück. Ich bekomme zum Beispiel seit meiner Kindheit täglich Fleisch zu essen. Ungelogen!Wer auf der Welt kann schon behaupten, dass er jeden Tag Fleisch in den Magen kriegt? Ich schon! Und zwar nicht irgendein beliebiges Fleisch, sondern Ente, das köstlichste Fleisch überhaupt! Das hat natürlich seine Geschichte. Mein Vater ist eines Tages abgehauen. Er hat sich auf Nimmerwiedersehen in den Irak abgesetzt. Damals war meine Mutter schwanger mit mir und musste zusehen, wie sie klarkommt. Also trommelte sie ihre drei jüngeren Brüder Hassan, Hussain und Hassanain zusammen. Gemeinsam heckten sie einen Plan aus. Einer stellte sich an die Strasse am Karûnsee, der nächste zweihundert Meter weiter und der dritte noch ein Stück weiter auf. Laut rufend priesen sie einen Inselausflug an. Sobald ein Wagen anhielt, rannten alle drei hin und unterboten einander, als seien sie Konkurrenten, die sich gegenseitig den Kunden auszuspannen versuchen. Der Interessent fühlte sich begehrt wie der Hahn im Korb und pickte sich das günstigste Angebot heraus. Er bekam den Preis, den die drei vorher untereinander festgelegt hatten, und freute sich, dass er den billigsten Begleiter in ganz Fajjûm ergattert hatte. So machten sie es, seit ich auf der Welt war. Die Inselausflüge ernährten uns alle. Eigentlich ist die Insel gar keine. Meine Kenntnisse sind zwar recht bescheiden, weil ich gleich nach der Mittelstufe von der Schule abging, aber soweit ich weiss, gibt es in dem See nur zwei Inseln, und auf denen wimmelt es von Skorpionen. Deshalb verirrt sich keiner dorthin. Die Besucher brachten wir in einer kleinen, klapprigen Feluke auf eine Landzunge, die wir Insel nannten. Dort hatten wir zum Sitzen eine Matte aus Palmblättern auf der Erde ausgebreitet. Na ja, wenn sie den ganzen Tag dort zubrachten, wollten sie natürlich irgendwann essen. Und da kam meine Mutter ins Spiel. Sie ist eine fabelhafte Köchin. Die lokalen Spezialitäten sind Seezunge und Fajjûm-Ente, dazu Reis, Salat und Ofenkartoffeln. Und dannhiess es: Guten Appetit, Leute, haut rein! Natürlich blieb immer etwas auf den Tellern liegen. An dieser Stelle kam
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