Arche Noah | Roman aus Ägypten
hatte.
»Ja.«
»Geburtsort?«
Wie gut, dass er nicht bei meinem Urgrossvater anfängt.
»Ich wurde in Talâ im Gouvernement al-Minufîja in Ägypten geboren.«
»Haben Sie an militärischen Trainingsprogrammen teilgenommen?«
Mit dem Riesenbusen, den ich vor mir hertrage, und im Brautkleid? Sehe ich etwa aus wie ein Mann?
»Nein.«
»Haben Sie schon einmal eine Waffe benutzt?«
Gilt ein Okraschoten-Putzmesser auch als Waffe?
»Nein.«
»Sind Sie Mitglied einer Terrororganisation?«
Am liebsten würde ich eine Terrororganisation gründen, um Achmad zu entführen.
»Nein.«
»Kennen Sie eine Person in den Vereinigten Staaten, die Mitglied einer Terrororganisation ist?«
Dich, du Schönling.
»Nein.«
»Wann waren Sie zuletzt in den Vereinigten Staaten?«
Du bist an die Falsche geraten. Immerhin komme ich aus al-Minufîja, dem Land der Schlitzohren. Gegen uns seid ihr Amerikaner die reinsten Grünschnäbel!
»Das ist meine erste Reise hierher.«
»Planen Sie, in den Vereinigten Staaten aufrührerische oder terroristische Aktionen durchzuführen?«
Ich plane, Achmad nachzustellen.
»Nein.«
Als sie die Gepäckhalle betrat, hatte Hâgar keine Ahnung, dass dieser Tag, der 5. März, Elisas Geburtstag und gleichzeitig auch, wie man Achmad erklärte, ihr Todestag war. Sie hatte keine Ahnung, dass an diesem Tag Achmads erster ernsthafter Versuch, Kairo zu verlassen, scheitern würde. Und sie ahnte ebenso wenig, dass nun sie, Hâgar, Mustafas Tochter, dafür zuständig wäre, alle erforderlichen Massnahmen einzuleiten, um Achmad Iseddîns Einreise zu erwirken.
Unmittelbar bevor sie das Gepäck in Empfang nahm, schluckte Hâgar die Pille. Krampfhaft durchstöberte sie die Windungen ihres Gehirns nach einer Erinnerung an Aiman. Irgendein Detail seines Gesichts, Haarfarbe, Augenfarbe, Körpergrösse. Sie realisierte, dass sie nicht die geringste Vorstellung mehr von ihm hatte. Würde sie ihn wiedererkennen? Na ja, schoss es ihr durch den Kopf, wann hat sich eine Hure je das Gesicht ihres Freiers gemerkt?
Abdallatîf Awad
T îfa ist sein Spitzname. Oder auch Hansdampf in allen Gassen, weil er in den dreissig Monaten, die er nun in Paterson in New Jersey lebte, bewiesen hatte, dass er diese Bezeichnung wahrhaftig verdiente. Er war Chefkoch im Aladin, der Pizzeria, die Aiman Subhi gehörte. Ausserdem betätigte er sich als Maler. Der betörend pistaziengrüne Anstrich in Aimans Wohnung zu Ehren von Hâgars Ankunft war sein jüngstes Werk. Mit der linken Hand die letzten beiden Pinselstriche an die rechte Schlafzimmerwand gebracht, hatte Tîfa die Wohnung zu einer strahlend schönen Braut herausgeputzt, der zur Vervollkommnung nur noch der Einzug der wahren Braut fehlte. Zeitweise machte sich Tîfa auch als Klempner, Elektriker und sogar als Mechaniker nützlich. Seit er das Motorrad seines Kollegen und besten Freundes Mûssa repariert hatte, wurde er als Profi angesehen und in Notfällen stets zu Hilfe gerufen. Denn sachkundig wie Mister Honda höchstpersönlich, hatte er den Motor auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Weitaus bedeutender jedoch waren Tîfas musikalische Fähigkeiten. War er in Stimmung, dann eroberte er mit seinem Gesang die Herzen aller.
Heute wurde Hansdampf in allen Gassen mit einer Aufgabe ganz neuer Art betraut. Aiman Subhi wies ihn an, die Blumen, die als Dekoration für das gesegnete Hochzeitsfest beschafft worden waren, im Anschluss daran weiterzuverkaufen. »Wir können doch nicht für irgend so einen Saal tausend Dollar aus dem Fenster werfen. Eine unverzeihliche Sünde wäre das!«
Das gesamte Aladin-Team gab sich grösste Mühe, ein Fest auf die Beine zu stellen, das dem guten Ruf des Hauses alle Ehre machte, zumal die geladenen Gäste Kunden der Pizzeria waren. Die Koordinierung der Feierlichkeit unterstellte der Bräutigam Tîfa. Im schwarzen Anzug, der zwei Nummern zu gross war – ein Geschenk von Aiman als Dank für die Malerarbeiten in der Wohnung –, stand Tîfa nun vor dem Eingang des Festsaals in der Jersey Street und schaute, in Erwartung des Brautpaars, auf seine neue Casio-Armbanduhr.
Um Punkt neunzehn Uhr war es endlich so weit, das Hochzeitspaar traf ein. Ihre Rechte mit beiden Händen umfassend, führte der Bräutigam die Braut in den Saal. Er trug einen schwarzen Anzug mit Fliege, den er sechs Jahre zuvor anlässlich seines ersten Heiratsversuchs gekauft hatte. Und sie trug, nach nunmehr zwanzig Stunden, noch immer das weisse Kleid.
Hâgar
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