Arche
als tausend Jahre, auch unter alpinen Wetterbedingungen.«
»Stimmt genau. Noahs Arche soll im Ararat-Gebirge gelandet sein. Dort kommt es zu kräftigen Regenfällen. Schauen Sie sich die vielen Scheunen aus dem vergangenen Jahrhundert an. So wie die verfaulen, müsste die Arche schon seit Jahrtausenden verschwunden sein.«
»Ich versichere Ihnen, dass ich alle Gegenargumente kenne. Mein Vater glaubte die Geschichte, verstand sie aber wegen der logischen Implikationen einer wörtlichen Interpretation nicht wörtlich. Es gibt beispielsweise dreißig Millionen Arten auf der Welt. Noah hätte pro Sekunde fünfzig Tierpaare auf seine Arche schaffen müssen, um in sieben Tagen fertig zu werden. Wenn man voraussetzt, dass sie alle Platz auf einem Schiff dieser Größe gehabt hätten.«
»Was nicht der Fall gewesen wäre, selbst wenn die Arche fünfzig Mal größer gewesen wäre.« Nun feuerten sie sich gegenseitig an.
»Dann gibt es das Problem mit dem Futter und dem Wasser, das in der Arche hätte transportiert werden müssen«, fuhr Dilara fort. »Das ist mein Lieblingsargument. Ein einziger Elefant frisst täglich rund siebzig Kilo. Bei vier Elefanten, zwei asiatischen und zwei afrikanischen, macht das über zehntausend Kilo. Und die werden auch verdaut. Und dazu muss man nun noch die Rhinozerosse, Flusspferde, Pferde, Kühe und Tausende anderer Tiere addieren. Es wäre einfach nicht möglich gewesen, dass nur acht Menschen sie gefüttert und den Mist beseitigt hätten.«
»An den Geruch darf man gar nicht denken. Und vergessen wir nicht, dass fünf Mal mehr Wasser nötig gewesen wäre, als
auf der gesamten Erde vorhanden ist, um alle Kontinente ganz zu bedecken. Geschmolzene Polkappen hätten zwar Florida unter Wasser gesetzt, aber keineswegs alle Berge der Erde überflutet.«
Dilara war beeindruckt. »Sie kennen sich in der Argumentation aus.«
»Eigentlich nicht«, gab Tyler zu. »Aber ich bin Wissenschaftler.«
»Nicht alle Menschen nehmen die Bibel wörtlich. Einige Menschen betrachten sie als Allegorie. Aber auch Allegorien basieren auf Fakten, weshalb alternative Erklärungen für die Sintflut vorgelegt wurden. Wussten Sie, dass die biblische Sintflut nicht die erste Sintflut ist?«
»Ich weiß nur, dass Flutgeschichten zum Kulturgut vieler Völker gehören.«
»Speziell die Geschichte in der Bibel scheint von einem Epos abzustammen, das tausend Jahre vor der Bibel aufgezeichnet wurde. 1847 fanden Archäologen Keilschrift-Täfelchen mit dem Gilgamesch-Epos. Die dort berichtete Geschichte einer großen Flut ist der in der Bibel erstaunlich ähnlich. Einige Historiker sind deshalb der Auffassung, dass die jüdischen Gelehrten, die das Alte Testament verfassten, die Geschichte Noahs auf der des Helden Gilgamesch aufbauten.«
»Trotzdem bleibt das Problem, dass es faktisch nicht möglich ist.«
»Nicht so, wie in der Bibel beschrieben. Aber 1961 hat Bill Ryan, ein Ozeanograph des Woods Hole Oceographic Institute, entdeckt, dass das Mittelmeer etwa um 5600 v. Chr. einen Damm im Bosporus eingedrückt hat. Bis zu jenem Zeitpunkt war das Schwarze Meer ein Süßwassersee, der hundertzweiundzwanzig Meter unter dem Meeresspiegel lag. Als der Damm brach, ergoss sich das Wasser in wenigen Monaten in
einem Wasserfall, der fünfzig Mal größer als die Niagara-Fälle war, ins Schwarze Meer. Nun stellen Sie sich einen Bauern vor, der damals am Ufer des Schwarzen Meeres wohnte.«
»Der dürfte mit Sack und Pack sein Heil in der Flucht gesucht haben.«
»Möglicherweise per Schiff«, ergänzte Dilara. »Man schmücke die Geschichte aus, füge ein paar Wunder hinzu, und schon hat man Noahs Geschichte.«
»Zugegeben. Aber das erklärt noch immer nicht, wie Ihr Vater die Arche finden konnte. Wie er überhaupt wusste, dass es die Arche war. Wie sie die vielen tausend Jahre überstanden hat, und nicht zuletzt: was sie damit zu tun hat, dass nun Milliarden Menschen vom Tode bedroht sind, wie Ihr Freund Sam Watson behauptet hat.«
Dilara lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster. Ohne es zu merken, strich sie sich beim Nachdenken über das Haar. Tyler ertappte sich dabei, wie er sie ansah, und beeilte sich, den Blick abzuwenden, bevor sie es bemerkte.
»Sie sind das, was ich einen überzeugten Pessimisten nenne. Ist das Glas bei Ihnen immer halb leer?«
»In meinem Fall ist das Glas einfach zu groß. Ich versuche, das Problem einzukreisen, um die Antwort zu finden. Das ist meine Vorgehensweise.«
»Wie finden wir
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