Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die chinesische Statue und andere Uberraschungen
Vom Netzwerk:
ein, da sein Klassenlehrer ihm gesagt hatte, dies sei ein ideales Sprungbrett für einen jungen Mann mit seinen Fähigkeiten. Als Septimus einige Zeit später über diesen Rat nachdachte, wurde er unsicher, denn sogar er erkannte, daß er überhaupt keine Fähigkeiten hatte. Trotz dieses Dämpfers stieg Septimus im Lauf der Jahre vom Büroangestellten zum Beamten auf (wobei man nicht sagen kann, daß er die Leiter zügig erklomm, vielmehr verweilte er geraume Zeit auf jeder Sprosse), was ihm den eindrucksvollen Titel „Vizedirektionsassistent“ (Abteilung Schadensfälle) eintrug. Septimus verbrachte seine Tage in einem Glaskasten im sechsten Stockwerk, wo er Schadensmeldungen registrierte und Rückzahlungen bis zu einer Höhe von einer Million Pfund beantragte. Wenn er seine Arbeit stets tipptopp erledigte (diesen Ausdruck führte er besonders gern im Mund), meinte er, würde er es in weiteren zwanzig Jahren zum Abteilungsleiter (Abteilung Schadensfälle) bringen, hätte undurchsichtige Wände um sich und unter sich einen Teppich, der nicht aus kleinen Quadraten in leicht differierenden Grünschattierungen zusammengestoppelt wäre. Ja, er könnte vielleicht sogar in den Kreis derer aufrücken, deren Unterschrift die Schecks über eine Million Pfund zierten.
    Septimus wohnte in Sevenoaks, gemeinsam mit seiner Frau Norma und seinen beiden Kindern Winston und Elizabeth, die die örtliche Gesamtschule besuchten. Eigentlich sollten sie in ein Gymnasium gehen (wie er vor seinen Kollegen immer betonte), aber die Labour-Regierung hatte alldem ja ein Ende bereitet.
    Septimus’ Alltag bestand aus einer geregelten Abfolge fest eingefahrener Gewohnheiten. Alles lief wie bei einem einfach gestalteten Mikroprozessor, während Septimus selbst sich für einen vorbildlichen Bewahrer von Tradition und Disziplin hielt. Denn sofern er überhaupt etwas war, war er ein Gewohnheitsmensch. Hätte etwa aus irgendeinem Grund der KGB ein Attentat auf Septimus geplant, so hätte es völlig genügt, ihn eine Woche lang unter Beobachtung zu stellen, um sich ein klares Bild darüber machen zu können, was er jahrein, jahraus trieb.
    Allmorgendlich um Viertel nach sieben stand er auf und zog einen seiner beiden perfekt sitzenden dunklen Anzüge an. Nach dem stets gleichbleibenden Frühstück aus einem weichen Ei, zwei Scheiben Toast und zwei Tassen Tee verließ er fünf Minuten vor acht sein Heim am Palmerson Drive 47. Am Bahnsteig 1 der Station Sevenoaks kaufte er sich den Daily Express, bevor er den Acht-Uhr-siebenundzwanzig-Zug zur Cannon Street bestieg. Während der Fahrt las Septimus die Zeitung und rauchte zwei Zigaretten. Sieben Minuten nach neun kam er in Cannon Street an. Von dort ging er zum Büro und saß punkt neun Uhr dreißig an seinem Schreibtisch im Glaskasten der sechsten Etage, wo er sich sogleich den ersten Akt zur Bearbeitung vornahm. Kaffeepause machte er um elf, wobei er sich den Luxus von zwei weiteren Zigaretten gönnte und seine Kollegen wie üblich mit Phantastereien über die Zukunft seiner Kinder erfreute. Um elf Uhr fünfzehn kehrte er an seinen Schreibtisch zurück.
    Schlag eins verließ er die Große Gotische Kathedrale (auch dies ein Lieblingsausdruck von ihm) für eine stunde, die er in einem Pub mit Namen „The Havelock“ verbrachte. Don trank er täglich zwei Glas Bier und aß das Tagesmenü. Nach dem Essen rauchte er die nächsten zwei Zigaretten. Fünf Minuten vor zwei saß er wieder vor seinen Schadensmeldungen, denen er sich bis zur viertelstündigen Teepause um vier Uhr widmete, dem Termin für das nächste Zwei-Zigaretten-Ritual. Schlag halb sechs griff er nach seinem Schirm und dem stahlverstärkten Aktenkoffer mit den silbernen Initialen S. H. C. und sperrte beim Verlassen des Glaskastens die Tür hinter sich zweimal ab. „Bis morgen zur gewohnten Stunde, Mädels“, rief er beim Durchqueren des Sekretariats mit gekünstelter Munterkeit, summte im Fahrstuhl ein paar Takte aus „Sound of Music“ und stürzte sich dann in das dichte Gewühl heimwärts strebender Berufstätiger. Schulter an Schulter mit Bankbeamten, Arbeitern, Managern und Maklern schritt er, mit dem Regenschirm auf das Pflaster klopfend, zielstrebig in Richtung Cannon Street Station, befriedigt bei dem Gedanken, selbst auch ein Teilchen der Weltstadt London zu sein.
    Am Bahnhofskiosk kaufte er rasch einen Evening Standard und ein Zehnerpaket Benson & Hedges, die er in seinen Aktenkoffer zu den Prudential-Papieren legte. Allabendlich

Weitere Kostenlose Bücher