Archer Jeffrey
Andrew hätte es vorgezogen, der Partei treu zu bleiben und sie von innen zu reformieren, aber es wurde ihm immer klarer, daß dazu keine Möglichkeit mehr bestand.
In seiner Post fand er eine kurze Mitteilung vom Sekretär seines Wahlkreises, daß Frank Boyle bei der Wiederwahl sein Gegenkandidat sein werde. Am Tag der Versammlung flog Andrew nach Edinburgh; er war auf das Schlimmste gefaßt. Niemand holte ihn vom Flughafen ab, und in der Parteizentrale begrüßte ihn David Connaught mit kummervoller Miene.
Wieder stand Andrew in einem kalten, kahlen Raum vor dem Komitee und beantwortete die gleichen Fragen, die man ihm schon vor drei Jahren gestellt hatte. Er gab genau die gleichen Antworten: was er von der nuklearen Abrüstung hielt, warum er für eine enge Verbindung mit den Vereinigten Staaten war, seine Einstellung zur Vermögenssteuer – eine vorhersagbare Frage folgte der anderen, aber Andrew verlor nicht die Nerven. Er schloß mit den Worten: »Ich war stolz, den Bewohnern von Edinburgh Carlton fast zwanzig Jahre lang als LabourAbgeordneter zu dienen, und hoffe, es weitere zwanzig Jahre zu tun. Wenn ihr mich heute nicht wiederwählen wollt, werde ich mich vielleicht als unabhängiger Kandidat aufstellen lassen.« Zum erstenmal sahen ein, zwei Komiteemitglieder besorgt drein.
»Ihre Drohungen schüchtern uns nicht ein, Mr. Fraser«, sagte Frank Boyle. »Die Labour-Partei war immer schon größer als ein Einzelner. Jetzt wissen wir, wo Mr. Frasers wahre Interessen liegen. Ich schlage vor, wir stimmen ab.«
Auf zwölf kleine Papiere wurde »Fraser« oder »Boyle« geschrieben, die dann dem Vorsitzenden übergeben wurden.
Langsam sammelte Boyle die Zettel ein und genoß Andrews Unbehagen. Er öffnete das erste Papier. »Boyle«, sagte er und sah die anderen an.
Er öffnete das zweite – »Fraser« – dann das dritte, »Boyle«, gefolgt von »Fraser, Fraser, Fraser.«
Andrew zählte: vier zu zwei für ihn.
Auf »Fraser« folgte »Boyle, Boyle, Fraser«.
Sechs zu vier zu Andrews Gunsten. Zwei Zettel waren noch
nicht geöffnet. Er brauchte nur noch eine Stimme. »Boyle.« Sechs zu fünf. Der Vorsitzende beeilte sich nicht, das letzte Papier zu öffnen. »Boyle«, rief er triumphierend.
Er ließ die Wirkung einsickern. »Sechs zu sechs«, erklärte er und fügte hinzu: »Nach Punkt 42 der Parteiordnung« – es klang, als hätte er die Worte auswendig gelernt – »hat der Vorsitzende bei einem unentschiedenen Ergebnis seine Stimme abzugeben.« Wieder wartete er.
Dann: »Boyle.« Und nach einer kurzen Pause: »Daher erkläre ich, daß Frank Boyle zum offiziellen Kandidaten der Labour Party des Wahlkreises von Edinburgh Carlton für die nächsten allgemeinen Wahlen gewählt wurde.« Er wandte sich an Andrew: »Wir werden Ihre Dienste nicht länger beanspruchen, Mr. Fraser.«
»Ich möchte jenen danken, die mich unterstützt haben«, sagte Andrew leise und ging, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
In der nächsten Nummer des Scotsman erschien ein langer Artikel, in dem es hieß, wie gefährlich es sei, wenn eine kleine Gruppe eigenwilliger Männer die Macht habe, einen Abgeordneten abzuwählen, der seinen Wählern lange Zeit ehrlich und erfolgreich gedient habe. Andrew rief Stuart Gray an, um ihm zu danken. »Ich wollte, Ihr Artikel wäre einen Tag früher erschienen«, fügte er hinzu.
»Er war für gestern geplant«, erwiderte Stuart, »aber die Ankündigung von Prince Charles’ Verlobung mit Lady Diana Spencer warf alle Pläne um. Übrigens, muß Boyles Nominierung nicht vom Parteiausschuß bestätigt werden?«
»Ja, aber der ist Wachs in seinen Händen. Es wäre, als würde man sich bei seiner Schwiegermutter über das Gezänk seiner Frau beklagen.«
»Warum wenden Sie sich dann nicht an das Nationale Exekutivkomitee und verlangen, daß die Entscheidung einer Vollversammlung der Partei des Wahlkreises vorgelegt wird?«
»Weil es Wochen dauern würde, die Entscheidung zu widerrufen und – das ist vielleicht noch wichtiger – weil ich glaube, daß ich mich nicht mehr als Labour Kandidat um den Sitz bewerben möchte.«
Auf eine Frage des Reporters erwiderte Andrew: »Ja, Sie können mich zitieren.«
Als der Tag der Wahl näherrückte, fand Charles es an der Zeit, Amanda seiner Wählerschaft vorzustellen. Jenen, die sich nach ihr erkundigten, hatte er gesagt, sie hätte sich nach der Entbindung nicht wohl gefühlt, und der Arzt habe ihr geraten, alles zu vermeiden, was ihren Blutdruck erhöhen
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