Archer Jeffrey
letzten Nacht viel Gelegenheit zum Schlafen gehabt, obwohl sie sich vermutlich immer noch fragten, warum. Sie würden es bald genug erfahren. Die ihm unterstellten stellvertretenden Direktoren und Leiter der Untersuchungsabteilungen und der Chef der Kriminalabteilung dieser Sektion – sie alle würden ihm helfen zu entscheiden, ob er weitermachen oder alles abblasen sollte. Sein Ford Sedan hielt auf dem für ihn reservierten Parkplatz.
Elliot erwartete ihn beim Lift – er war immer da, verspätete sich niemals. Er ist unmenschlich, er wird gehen müssen, dachte der Direktor – wenn ich nicht zuerst gehen muß. Auf einmal wurde ihm klar, daß er vielleicht schon heute abend dem Staatsoberhaupt sein Rücktrittsgesuch übergeben würde. Welchem Staatsoberhaupt? Er wollte nicht daran denken – das würde sich zu gegebener Zeit entscheiden, er mußte für die nächsten fünf Stunden Entscheidungen treffen.
Elliot hatte nichts Brauchbares zu berichten. Dexter und Harrison hatten beide in der Nacht und am frühen Morgen telefoniert, aber man hatte nichts Belastendes erfahren. Keine weiteren Informationen. Der Direktor erkundigte sich, wo sich die Senatoren im Augenblick aufhielten.
»Beide frühstücken zu Hause; Dexter in Kensington,
Harrison in Alexandria. Sechs Agenten beobachten sie seit fünf Uhr morgens und werden die Beschattung den ganzen Tag fortsetzen.«
»Gut, melden Sie sich sofort, wenn etwas los ist.« »Natürlich, Sir.«
Als nächstes kam der Leiter der Spurensicherungsabteilung. Der Direktor entschuldigte sich, daß er ihn die ganze Nacht wach gehalten habe. Das Gesicht des Mannes war allerdings frischer und munterer als jenes, das dem Direktor beim Rasieren im Spiegel entgegengeblickt hatte.
Daniel Sommerton, ein Meter achtundfünfzig groß, schmächtig und blaß, berichtete von seinen Ergebnissen. Er war wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Für ihn war die Arbeit mit Fingerabdrücken weniger ein Job als eine Leidenschaft. Der Direktor blieb sitzen, während Sommerton stand. Wäre der Direktor auch gestanden, hätte Sommerton ihm kaum bis an die Schultern gereicht.
»Wir fanden siebzehn verschiedene Finger und drei verschiedene Daumen«, sagte Sommerton glücklich. »Wir untersuchen sie nicht mit Joddampf, sondern mit Ninhydrin, da wir sie aus technischen Gründen, mit denen ich Sie nicht belästigen will, nicht nacheinander prüfen konnten.« Er machte eine wegwerfende Bewegung mit dem Arm, um anzudeuten, daß er den Direktor nicht mit wissenschaftlichen Erklärungen langweilen wolle, die dieser, wie er selbst zugab, absolut nicht verstand.
»Wir glauben zwei Abdrücke zu haben, die wir identifizieren könnten«, fuhr Sommerton fort. »In zwei, längstens drei Stunden werden wir Ihnen einen vollständigen Bericht geben.«
Der Direktor schaute auf die Uhr – bereits sechs Uhr fünfundvierzig.
»Gute Arbeit. Es wird keine Minute zu früh sein. Bringen Sie mir so rasch wie mö glich die Resultate, auch wenn sie negativ sind, und danken Sie Ihren Mitarbeitern, daß sie die ganze Nacht durchgearbeitet haben.«
Der Experte verließ das Büro, begierig, zu seinen siebzehn Fingern, drei Daumen und zwei nichtidentifizierten Abdrücken zurückzukehren. Der Direktor bat Mrs. McGregor, den stellvertretenden Direktor für Planung und Beurteilung zu ihm zu bitten.
Zwei Minuten später stand Walter Williams vor ihm.
Williams war einen Meter fünfundsechzig groß und blond. Er hatte ein blasses Gesicht, darüber eine edelgewölbte Stirn mit Falten, die nicht Sorgen ausdrückten, sondern Heiterkeit, und war im Bureau als »das Gehirn« oder »W.W.« bekannt. Er war Leiter der »Denkabteilung« des FBI, der auch sechs Männer mit nicht ganz so brillantem, aber immer noch höchst beachtlichem Verstand angehörten. Der Direktor stellte ihm von Zeit zu Zeit hypothetische Fragen, auf die W.W. eine Antwort fand, die sich später, im Rückblick, zumeist als richtig erwies. Der Direktor setzte großes Vertrauen in sein Urteil, aber heute durfte er nichts riskieren. W.W. mußte seine hypothetische Frage vom Vorabend sehr überzeugend beantworten, sonst würde Tyson sofort die Präsidentin anrufen.
»Guten Morgen, Direktor.«
»Guten Morgen, W.W. Wie haben Sie mein kleines Problem gelöst?«
»Sehr interessant … um die Wahrheit zu sagen, die Antwort ist einfach, selbst wenn man die Situation unter allen Gesichtswinkeln betrachtet.«
Zum erstenmal an diesem Morgen lächelte der Direktor ein
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