Archer Jeffrey
nicht fair«, widersprach Fletcher. »Wenn jemand Schuld hat, dann ich. Sieh dir den Stress an, unter dem Joanna bei der Geburt stand. Das hat bei ihr keinen Unterschied gemacht.« Aber Annie ließ sich nicht trösten. Der Arzt ließ Fletcher wissen, wie das Problem am schnellsten zu lösen sei, und Fletcher folgte seinen Anweisungen begeistert.
Mit jedem Tag, der verging, wurde Annie etwas stärker, aber ihr einziges Interesse galt der Unterstützung ihres Mannes und seinem Vorsatz, Jahrgangsbester zu werden. »Das schuldest du Karl Abrahams«, rief sie ihm in Erinnerung. »Er hat viel in dich investiert und es gibt nur eine Möglichkeit, wie du das wieder gutmachen kannst.«
Annie brachte ihren Mann dazu, während der Semesterferien im Sommer vor seinem Abschlussjahr Tag und Nacht zu arbeiten. Sie wurde seine Assistentin und Quellenforscherin, blieb gleichzeitig seine Geliebte und Freundin. Annie ignorierte seinen Rat nur, sobald er sie drängte, ihr Studium wieder aufzunehmen.
»Nein«, erklärte Annie, »ich will nur deine Frau sein und, so Gott will, eines Tages …«
*
Sobald Fletcher nach Yale zurückgekehrt war, sah er ein, dass es nun nicht mehr allzu lange dauern würde, bevor er sich der Fleischbeschau stellen musste. Obwohl ihn bereits mehrere Kanzleien zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und ein oder zwei ihm sogar unbesehen eine Stelle angeboten hatten, wollte Fletcher nicht in Dallas oder Denver, Phoenix oder Pittsburgh arbeiten. Doch die Wochen verstrichen und er hörte nichts von Alexander Dupont & Bell. Seine Hoffnungen schwanden und er kam zu dem Schluss, dass er langsam auf das Bewerberkarussell aufspringen musste, wenn er in eine der großen Kanzleien eintreten wollte.
Jimmy hatte bereits über fünfzig Briefe verschickt und bislang erst drei Antworten erhalten; in keiner davon wurde ihm eine Stelle angeboten. Er hätte sich mit Dallas oder Denver, Phoenix oder Pittsburgh begnügt, wäre da nicht Joanna gewesen. Annie und Fletcher einigten sich über die Städte, in denen sie gern leben würden, dann stellten sie fest, welches die führenden Kanzleien in den betreffenden Bundesstaaten waren. Gemeinsam entwarfen sie ein Schreiben, das sie vierundfünfzig Mal kopierten und am ersten Semestertag verschickten.
Als Fletcher im Laufe des Morgens ans College zurückkehrte, fand er ein Schreiben in seinem Brieffach.
»Das ging aber schnell«, scherzte Annie. »Wir haben die Briefe doch erst vor einer Stunde abgeschickt.«
Fletcher lachte, bis er den Poststempel auf dem Brief sah. Er riss ihn auf. Der schlichte, schwarze Briefkopf lautete Alexander Dupont & Bell. Natürlich begann die distinguierte New Yorker Kanzlei die Kandidatenauswahl erst im März, warum sollten sie für Fletcher Davenport eine Ausnahme machen?
Fletcher arbeitete ununterbrochen während der langen Wintermonate vor seinem Bewerbungsgespräch, aber dennoch hatte er allen Grund zur Besorgnis, als er sich schließlich auf die Reise nach New York machte. Kaum war er in der Grand Central Station aus dem Zug gestiegen, fühlte sich Fletcher von dem Gewirr aus einhundert verschiedenen Sprachen förmlich berauscht und er merkte, dass er zügiger ausschritt, als er es je in einer anderen Stadt getan hatte. Fletcher sah während der Taxifahrt zur 54th Street aus dem offenen Fenster, sog den Geruch ein, den keine andere Stadt produzierte.
Der Taxifahrer hielt vor einem gläsernen Wolkenkratzer mit zweiundsiebzig Stockwerken und Fletcher wusste sofort, dass er nirgendwo anders arbeiten wollte. Er lungerte ein paar Minuten im Erdgeschoss herum, wollte nicht mit zahllosen anderen Kandidaten im Wartezimmer festsitzen. Als er schließlich im sechsunddreißigsten Stock ausstieg, machte die Empfangsdame einen Haken hinter seinem Namen. Sie reichte ihm ein Blatt Papier, das eine Abfolge von Gesprächen auflistete, die den Rest des Tages in Anspruch nehmen würden.
Sein erstes Gespräch, das in Fletchers Augen gut verlief, hatte er mit dem Seniorpartner Bill Alexander, auch wenn dieser nicht dieselbe Herzlichkeit versprühte wie auf Karl Abrahams’ Party. Allerdings erkundigte sich Alexander nach Annie und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass sie sich von dem traurigen Verlust von Harry erholt hatte. Bei dieser Unterhaltung wurde auch klar, dass Fletcher nicht der Einzige war, mit dem ein Bewerbungsgespräch geführt wurde – auf der Liste vor Mr Alexander tauchten, auf dem Kopf stehend, sechs Namen auf.
Anschließend verbrachte
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