Archer Jeffrey
unschuldig bekennen wollte. Der Gerichtsschreiber setzte sich, wie es inzwischen alle wieder getan hatten, und ein hochgewachsener, düsterer Mann mittleren Alters erhob sich von der Bank unmittelbar unterhalb des Richters und hielt eine Ansprache vor den Geschworenen.
Er umklammerte beim Reden die Revers seines Jacketts und beschrieb den Rest dieses Vormittags jene Ereignisse, die zur Verhaftung des Angeklagten geführt hatten. Er berichtete den Geschworenen, daß de Villiers in den Tagen vor seiner Verhaftung schon mehrmals bei den verschiedensten Anlässen gesehen worden war, wie er Präsident Zerimskij beobachtet hatte. Und daß das Gewehr, mit dem er ihren geliebten Präsidenten hatte ermorden wollen, in seinem persönlichen Gepäck in einer Hotelhalle gefunden worden sei. »Die Eitelkeit war sein Verderben«, fuhr der Ankläger fort. »In dem Koffer mit der Waffe waren seine Initialen eingeprägt.« Der Richter gestattete, daß die Geschworenen sich Gewehr und Koffer näher anschauten.
»Noch verhängnisvoller für ihn war ein Stück Papier«, fuhr der Staatsanwalt fort, »das in seinem Kulturbeutel versteckt war. Es handelte sich um eine Quittung über die Einzahlung von einer Million US-Dollar auf ein Nummernkonto in der Schweiz.« Wieder wurde den Geschworenen Gelegenheit geboten, sich dieses Beweisstück anzusehen. Der Staatsanwalt lobte die Polizei von St. Petersburg, die durch ihren Fleiß und ihre Findigkeit die furchtbare Tat verhindert und den Verbrecher durch ihren professionellen Einsatz dingfest gemacht hatte. Der Staatsanwalt fügte hinzu, daß das russische Volk Wladimir Boltschenkow, dem Polizeichef der Stadt, großen Dank schulde. Mehrere Geschworene nickten.
Der Staatsanwalt beendete seinen Monolog damit, die Geschworenen darauf hinzuweisen, daß der Angeklagte sich jedesmal geweigert hatte, auf die Frage zu antworten, ob er das Attentat im Auftrag der Mafya ausführen sollte. »Es liegt an Ihnen, sein Schweigen auszulegen. Meine Schlußfolgerung lautet, daß es nur ein Verdikt und einen Urteilsspruch geben kann.« Er lächelte den Richter dünn an und setzte sich wieder.
Connor ließ den Blick durch den Gerichtssaal schweifen, um zu sehen, wer ihm als Verteidiger zugewiesen worden war, und fragte sich, wie der Betreffende seiner Aufgabe überhaupt gerecht werden wollte, da er, Connor, ja noch kein Wort mit ihm gewechselt hatte.
Der Richter blickte zum anderen Ende der Bank, und ein junger Mann, der aussah, als hätte er sein Jurastudium eben erst beendet, erhob sich, um zum Gericht zu sprechen. Er umklammerte weder seine Revers, noch lächelte er zum Richter hinauf, noch hielt er überhaupt eine Ansprache zu den Geschworenen. Er sagte lediglich: »Mein Mandant kann sich nicht dazu äußern«, und setzte sich wieder.
Der Richter nickte; dann wandte er sich dem Sprecher der Geschworenen zu, einem Mann mit ernster Miene, der genau wußte, was von ihm erwartet wurde und der sich sofort erhob.
»Sie haben die Beweisführung in diesem Fall gehört, Herr Obmann. Wie lautet Ihr Urteil?«
»Schuldig«, sagte der Mann. Er trug seinen Einworttext vor, ohne zu stocken – und ohne sich zuvor mit irgendeinem anderen Geschworenen besprochen zu haben.
Der Richter blickte Connor zum erstenmal direkt an. »Da die Geschworenen zu einem einstimmigen Spruch gekommen sind, ist es nur noch erforderlich, daß ich das Urteil fälle. Und nach dem Gesetz gibt es nur eine Strafe für Ihr Verbrechen.« Er machte eine kurze Pause, schaute Connor gleichmütig an und verkündete: »Ich verurteile Sie zum Tod durch den Strang.« Dann fragte er den Verteidiger rein rhetorisch: »Wollen Sie Berufung einlegen?«
»Nein, Euer Ehren«, ertönte die prompte Antwort.
»Die Hinrichtung wird am Freitag um acht Uhr vollzogen.«
Connor wunderte sich bloß noch, daß sie damit bis Freitag warten wollten.
Bevor sie Feierabend machte, ging Joan die Artikel noch einmal durch. Die Daten stimmten genau mit Connors Dienstreisen ins Ausland überein. Zuerst die nach Kolumbien, dann der Besuch in St. Petersburg. Um eine von Connors eigenen Maximen zu zitieren: Es waren einfach zu viele Zufälle.
Um drei Uhr fühlte Joan sich ausgelaugt und erschöpft. Sie hatte Angst davor, Maggie vom Ergebnis ihrer Detektivarbeit zu erzählen. Und falls es wirklich Connor war, der in St. Petersburg vor Gericht stand, durfte keine Sekunde vergeudet werden; denn die türkischen Zeitschriften waren bereits zwei Tage alt.
Sie schaltete ihren Computer aus,
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