Archer Jeffrey
würde. Doch es war auch jener Tag, an dem seine Aufnahmeprüfungen begannen; deshalb hoffte er, daß seine Eltern mit ihrer Standpauke wenigstens die nächsten zehn Tage warten würden. Und bis dahin, vielleicht…
»Na ja, falls es knapp wird«, unterbrach der Vater Keith’ Gedankengang, »wird dir sicher das Empfehlungsschreiben des Direktors nach deinem Erfolg bei der Spendensammlung helfen. Ach ja, ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, daß deine Großmutter so beeindruckt von deinen Bemühungen ist, daß sie in deinem Namen weitere 100 Pfund gespendet hat.«
Es war das erste Mal, daß Lady Townsend ihren Sohn fluchen hörte.
Am Montagmorgen hatte Keith das Gefühl, so gut auf die Prüfung vorbereitet zu sein, wie es nur möglich war, und als er nach zehn Tagen die letzte schriftliche Arbeit abgab, war er beeindruckt, wie viele von den Fragen Miss Steadman vorhergesehen hatte. Er wußte, daß er seine Sache in Geschichte und Geographie gut gemacht hatte. Jetzt konnte er nur noch hoffen, daß der Prüfungsausschuß in Oxford die Klassiker nicht als wesentliches Kriterium für eine Aufnahme betrachtete.
Keith rief seine Mutter an. Er glaube, erklärte er ihr, so gut abgeschnitten zu haben, wie er nur hatte hoffen können; wenn er keinen Studienplatz in Oxford bekäme, läge es jedenfalls nicht daran, daß er Pech mit den Fragen gehabt habe.
»Das freut mich zu hören«, antwortete seine Mutter. »Aber ich kann dir nur einen guten Rat geben, Keith. Halte dich von deinem Vater lieber noch ein paar Tage fern.«
Das Gefühl der Leere nach Ende der Prüfungen war unvermeidlich. Während Keith auf die Bekanntgabe der Ergebnisse wartete, verbrachte er einen Teil seiner Zeit damit, die restlichen paar hundert Pfund an Spenden für den Pavillon zusammenzukratzen – auf der Rennbahn, wo er kleinere Wetten mit seinem eigenen Geld abschloß, und bei einer Nacht mit der Frau eines Bankers, die schließlich 50 Pfund springen ließ.
Am letzten Mittwoch des Trimesters informierte Mr. Jessop seine Lehrerkollegen bei der wöchentlichen Sitzung, daß St. Andrews die altehrwürdige Tradition fortsetzen würde, seine besten Schüler nach Oxford und Cambridge zu schicken und auf diese Weise die Verbindung mit diesen beiden angesehenen Universitäten aufrechtzuerhalten. Dann verlas er die Namen der Schüler, die Studienplätze bekommen hatten:
Alexander, D. T. L.
Tomkins, C.
Townsend, K. R.
»Ein Stinker, ein Streber und ein Selbstdarsteller, aber nicht
unbedingt in dieser Reihenfolge«, murmelte der Direktor.
MORGENAUSGABE
DEM SIEGER DIE BEUTE
DAILY MIRROR 7. Juni 1944
Erfolgreiche Landung der alliierten Truppen an der Küste der Normandie
Als Lubji Hoch dem Tribunal seine Geschichte erzählt hatte, blickten sie ihn nur ungläubig an. Entweder war er eine Art Übermensch oder ein pathologischer Lügner – sie konnten sich nicht entscheiden.
Der tschechische Dolmetscher zuckte die Schultern. »Einiges könnte durchaus so gewesen sein«, sagte er zu dem Offizier des Tribunals, der den Vorsitz führte. »Aber manches erscheint mir doch arg an den Haaren herbeigezogen.«
Der Vorsitzende dachte einige Minuten über den Fall Lubji Hoch nach; dann entschied er sich für den einfachsten Ausweg. »Er soll ins Internierungslager zurückgebracht und in sechs Monaten erneut dem Tribunal vorgeführt werden. Dann kann er uns seine Geschichte noch einmal erzählen, und wir werden sehen, wieviel davon sich geändert hat.«
Lubji hatte vor dem Tribunal gesessen, ohne auch nur ein Wort des Vorsitzenden zu verstehen. Immerhin hatte man ihm diesmal einen Dolmetscher zugeteilt; deshalb konnte er dem Verfahren wenigstens folgen. Auf dem Rückweg zum Internierungslager versprach er sich, daß er bei seiner nächsten Verhandlung in sechs Monaten keinen Dolmetscher mehr benötigen würde.
Englisch zu lernen erwies sich jedoch nicht als ganz so einfach, wie Lubji es erwartet hatte; als er zurück im Lager und unter seinen Landsleuten war, zeigten sie wenig Interesse daran, irgendeine andere Sprache als Tschechisch zu reden. Im Grunde war Pokern das einzige, das Lubji von ihnen lernen konnte, und es dauerte nicht lange, bis er sie alle in die Tasche steckte. Die meisten seiner Mitinternierten gingen davon aus, daß sie nach Hause zurückkehren durften, sobald der Krieg vorbei war.
Im Lager stand Lubji jeden Morgen als erster auf; seine Leidensgenossen ärgerten sich über ihn, weil er in allen Dingen schneller war als sie. Die meisten
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