Archer, Jeffrey
ab, in der sie der Polizei hohes Lob zollte, und dem Beamten, dem die Festnahme gelang, schrieb sie einen persönlichen Brief. Sie hielt die Angelegenheit für erledigt, bis sie die Morgenausgabe der Zeitungen las. Ralph Brooks teilte mit, daß er die Anklage gegen den Würger persönlich übernehmen werde, selbst wenn ihn das seinen Platz im Senat kosten sollte. Es war ein brillanter Schachzug, das mußte selbst Florentyna zugeben. Die Presse des ganzen Landes brachte Fotos des gutaussehenden Staatsanwaltes neben dem Konterfei des gefürchteten Mörders.
Der Prozeß begann fünf Wochen vor den Vorwahlen –
die Voruntersuchungen wurden offensichtlich auf Betreiben des Staatsanwaltes beschleunigt. Das bedeutete, daß Ralph Brooks Tag für Tag auf der Titelseite prangte und die Todesstrafe forderte, »damit die Bürger von Chicago wieder ohne Angst abends ausgehen können«.
Florentyna gab Erklärungen über die Energiekrise, über Vorschriften zur Bekämpfung des Fluglärms, über Getreidepreisstützung und russische Truppenbewegungen an der polnischen Grenze ab, nachdem die Führer der Gewerkschaft Solidarität verhaftet worden waren. Es gelang ihr nicht, den Staatsanwalt aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Bei Zusammenkünften mit den Journalisten der Tribüne beklagte sie sich halb im Scherz, halb im Ernst darüber. Der Chefredakteur sah ihren Standpunkt zwar ein, meinte aber, daß Ralph Brooks sich eben gut verkaufen ließe. Florentyna saß in ihrem Büro und war zutiefst enttäuscht, daß sie nichts gegen ihren Gegner unternehmen konnte.
In der Hoffnung, daß ihr eine Konfrontation Gelegenheit bieten könnte, zu brillieren, forderte sie Brooks zu einer öffentlichen Debatte heraus. Dieser aber informierte die Presse, daß er nicht an derlei denken könne, solange eine so schwere Verantwortung auf seinen Schultern laste.
»Sollte ich die Gelegenheit, das gute Volk von Illinois zu vertreten, wegen dieser meiner Entscheidung versäumen, dann muß ich mich damit abfinden«, wiederholte er immer wieder. Florentyna sah weitere Prozente davonschwim-men.
Am Tag, an dem der Würger von Chicago verurteilt wurde, ergaben die Meinungsumfragen, daß Florentyna nur noch 52 : 48 in Führung lag. Es blieben ihr nur noch zwei Wochen.
Florentyna plante für diese letzten zwei Wochen Reisen durch den Bundesstaat, als der Meteorit einschlug.
Am Dienstag nach dem Prozeß rief Richard an und teilte ihr mit, Annabels Zimmergenossin habe ihn informiert, daß Annabel am Sonntagabend nicht nach Radcliffe zurückgekehrt sei und man seither nichts von ihr gehört habe. Florentyna flog sofort nach New York. Richard benachrichtigte die Polizei und nahm einen Privatdetektiv auf. Nachdem ihm die Polizei versichert hatte, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, schickte er Florentyna wieder nach Chicago zurück.
Wie in einem Traum ging Florentyna in Chicago ihrer Arbeit nach und rief Richard jede Stunde an; er hatte keine Neuigkeiten zu berichten. Eine Woche vor der Wahl lag Florentyna nur noch 51:49 in Führung, und Edward versuchte mit allen Mitteln, ihre Gedanken auf die Wahlkampagne zu konzentrieren, aber sie dachte wieder und wieder an Bob Buchanans Worte: »Der Kongreß ist kein Ersatz für eine Familie.«
Sie fragte sich, ob, wenn sie … Nach einem entsetzli-chen Wochenende – Florentyna hatte das Gefühl, eher Stimmen verloren als gewonnen zu haben – rief Richard aufgeregt an, um ihr mitzuteilen, daß man Annabel gefunden habe. Sie war die ganze Zeit in New York gewesen.
»Gott sei Dank«, sagte Florentyna mit Tränen in den Augen, »geht es ihr gut?«
»Ja, sie ist im Mount Sinai Hospital.«
»Was ist geschehen?« fragte Florentyna angsterfüllt.
»Sie hatte eine Abtreibung.«
Am selben Morgen flog Florentyna nach New York zu ihrer Tochter. Auf dem Flug glaubte sie ein paar Reihen weiter hinten einen Wahlhelfer zu erkennen; sein Lächeln schien ihr merkwürdig. Annabel sagte ihrer Mutter, sie habe keine Ahnung gehabt, daß die Polizei nach ihr suche.
Edward flehte Florentyna an, sofort wieder nach Chicago zurückzukehren, da sich Presse und Fernsehen fortwährend nach ihrem Verbleib erkundigten. Obwohl die Zeitungen bis jetzt nichts über Annabels Privatleben gebracht hatten, fand man es sonderbar, daß Florentyna in New York war und nicht in Illinois. Zum erstenmal hörte Florentyna nicht auf Edwards Rat.
Ralph Brooks äußerte sofort die Vermutung, daß Florentynas Reise etwas mit einer Krise der Baron-Gruppe zu
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