Archer, Jeffrey
tun haben müsse; die Hotels lägen ihr immer am meisten am Herzen. Florentyna gab dem Drängen Edwards und Annabels nach und flog Montag abends nach Chicago zurück; alle Zeitungen waren jetzt der Meinung, daß der Wahlausgang völlig ungewiß sei.
Dienstag früh sah Florentyna die Schlagzeile, die sie gefürchtet hatte: »Tochter der Kandidatin hatte Abtreibung.«
Der Artikel beschrieb jede Einzelheit, bis hin zu dem Bett, in dem Annabel gelegen war. »Senke den Kopf und bete«, war alles, was Edward sagte, als er Florentyna durch den zermürbenden Tag begleitete.
Am Wahltag stand Florentyna um sechs Uhr morgens auf, und Edward fuhr sie zu allen Wahllokalen, die sie im Lauf von vierzehn Stunden erreichen konnten. Wo immer sie anhielten, winkten Wahlhelfer mit blauweißen »Kane in den Senat«-Flaggen und verteilten Flugblätter mit Florentynas Ansichten über die wichtigsten Fragen. Bei einem Aufenthalt wurde Florentyna nach ihrer Meinung über die Abtreibung gefragt. Florentyna sah die Frau empört an und erklärte: »Ich kann Ihnen versichern, daß sich meine Meinung nicht geändert hat.«
Erst später kam sie darauf, daß die Frage ganz harmlos gemeint war.
Unermüdlich schleppten ihre Mitarbeiter alle Kane-Anhänger zu den Urnen, und auch Florentyna hörte erst zu arbeiten auf, als die Lokale geschlossen wurden. Sie hoffte nur, sich ebenso gehalten zu haben wie Carter 1976 gegen Ford. Am Abend kam Richard aus New York und berichtete, Annabel gehe es gut, und sie sei nach Radcliffe zurückgekehrt.
Florentyna und Richard saßen allein in ihrer Suite im Baron Hotel. Drei Fernsehstationen brachten die Resultate aus Illinois, von denen es abhing, wer gegen den republikanischen Kandidaten antreten würde. Um elf Uhr lag Florentyna mit zwei Prozent in Führung. Um zwölf hatte Brooks einen Vorsprung von einem Prozent. Um zwei hatte Florentyna ein knappes Prozent mehr Stimmen.
Um drei Uhr schlief sie in Richards Armen ein. Als er das Resultat erfuhr, weckte er sie nicht; er wollte ihren Schlaf nicht stören.
Etwas später nickte er selbst ein. Als er erwachte, sah er Florentyna mit geballten Fäusten am Fenster stehen.
Immer wieder brachte das Fernsehen die Resultate: Ralph Brooks war mit 7.118 Stimmen – einer Mehrheit von weniger als einem halben Prozent zum demokratischen Kandidaten für den Senat gewählt worden. Auf dem Bildschirm war ein winkender, strahlender Ralph Brooks zu sehen.
Florentyna drehte sich um und sah noch einmal auf das Bild. Ihr Blick fiel nicht auf den triumphierenden Staatsanwalt, sondern auf einen Mann hinter ihm. Jetzt wußte sie, wo sie dieses Lächeln schon einmal gesehen hatte.
Florentynas politische Karriere war unterbrochen. Sie war nicht mehr im Kongreß und mußte zwei Jahre warten, bevor sie auch nur hoffen konnte, wieder in die Politik zurückzukehren. Wenn sie an Annabels Probleme dachte, fragte sie sich, ob nicht die Zeit gekommen sei, zu ihren Hotels und ins Privatleben zurückzukehren. Richard war anderer Meinung.
»Es täte mir leid, wenn du dich nach all den Jahren und der Arbeit aus der Politik zurückzögest.«
»Vielleicht ist das der springende Punkt. Hätte ich mich nicht so auf meine Karriere konzentriert und mich mehr um Annabel gekümmert, dann hätte sie heute vermutlich keine Identitätskrise.«
»Eine Identitätskrise! Diesen Unsinn hätte ich von einem Soziologieprofessor erwartet, aber nicht von dir. William hat nie unter einer ›Identitätskrise‹ gelitten. Liebling, unsere Tochter hatte ein Verhältnis und war unvorsichtig; das ist alles. Wenn jeder, der ein Verhältnis hat, als anormal gilt, blieben nur sehr wenige Normale übrig. Im Augenblick braucht sie nur eines: von dir wie eine Freundin behandelt zu werden.«
Florentyna ließ alles liegen und stehen und fuhr im Sommer mit Annabel auf die Barbados. Während der langen Spaziergänge am Strand erfuhr sie Näheres über Annabels Affäre mit einem Studenten in Vassar; Florentyna konnte sich immer noch nicht daran gewöhnen, daß Jungen Mädchencolleges besuchten. Annabel nannte ihr seinen Namen nicht, sondern versuchte zu erklären, daß sie ihn zwar immer noch gern habe, aber nicht ihr ganzes Leben mit ihm verbringen wolle. »Hast du den ersten Mann geheiratet, mit dem du geschlafen hast?«
fragte sie. Florentyna antwortete nicht sofort, dann erzählte sie ihrer Tochter von Scott Forbes.
»Was für ein Drückeberger«, sagte Annabel, »was für ein Glück, daß du Papa gefunden
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