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Archer, Jeffrey

Archer, Jeffrey

Titel: Archer, Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abels Tochter
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nieder und flehte inbrünstig um das Leben ihres Mannes.
    Stunden vergingen, bevor der Chirurg zu ihr kam.
    Hoffnungsvoll sah Florentyna zu ihm auf.
    »Ihr Gatte ist vor wenigen Minuten gestorben«, war alles, was er sagte.
    »Hat er etwas gesagt, bevor er starb?« fragte Florentyna.
    Der Chirurg war sichtlich verlegen.
    »Was immer mein Mann sagte, ich möchte es wissen, Herr Doktor.«
    Der Arzt zögerte. »Er sagte nur: ›Sagen Sie Jessie, daß ich sie liebe.‹«
    Florentyna senkte den Kopf. Sie kniete nieder und betete.

    Es war das zweite Begräbnis eines Mitglieds der Familie Kane innerhalb von drei Monaten. William stand zwischen zwei schwarzgekleideten Mrs. Kanes, und der Bischof erinnerte die Trauergäste, daß im Tod das Leben sei.
    Am Abend saß Florentyna allein in ihrem Zimmer und wollte nichts mehr von diesem Leben wissen. Im Flur lag ein Paket mit der Aufschrift: »Zerbrechlich. Sotheby Parke Bernet. Inhalt: ein Cello, Stradivari.«

    Am Montag begleitete William seine Mutter nach Washington. Jede Zeitung brachte zitierte Sätze an prominenter Stelle, Sätze aus Florentynas Rede. Sie bemerkte es nicht einmal.

    Drei Tage blieb William bei seiner Mutter, bis sie ihn zu seiner Familie zurückschickte. Florentyna saß stundenlang in einem Zimmer, das voll war mit Richards Vergangenheit: dem Cello, seinen Fotos.
    Sie erschien jetzt immer erst im Lauf des Vormittags im Senat. Trotz Janets Drängen beantwortete sie nur Kondolenzschreiben und Beileidstelegramme. Sie ging nicht mehr zu den Ausschußsitzungen und vergaß Verabredungen mit Leuten, die von weit her gekommen waren, um mit ihr zu sprechen. Einmal vergaß sie sogar, den Vorsitz im Senat zu übernehmen, eine Aufgabe, die einem der Senatoren zufiel, wenn der Vizepräsident abwesend war. Es ging um Fragen der Verteidigung.
    Selbst ihre glühendsten Anhänger begannen zu zweifeln, ob sie ihre frühere Einsatzfreudigkeit je wieder zurückgewinnen würde.
    Aus Wochen wurden Monate, und Florentyna verlor ihre besten Mitarbeiter, die sahen, daß sie nicht mehr den Ehrgeiz besaß, den früher alle mit ihr geteilt hatten. Aus Beschwerden von Wählern, die sich die ersten sechs Monate nach Richards Tod zurückgehalten hatten, wurden ärgerliche Klagen. Florentyna aber absolvierte freudlos und desinteressiert nur ihr tägliches Programm. Senator Brooks plädierte ganz offen dafür, sie in Pension zu schicken, und äußerte diese seine Ansicht wiederholt in den verrauchten Räumen der Parteizentrale von Illinois.
    Florentynas Name verschwand aus der Gästeliste des Weißen Hauses, und auch auf den Cocktailparties der Washingtoner Gesellschaft wurde sie nicht mehr gesehen.
    William und Edward kamen regelmäßig nach Washington, um sie aus ihrer dumpfen Lethargie zu reißen; es gelang keinem von beiden.
    Weihnachten verbrachte Florentyna in Red House in Boston. William und Joanna hatten Mühe, sich an die tiefgreifende Veränderung zu gewöhnen, die mit ihr vorgegangen war; aus einem lebensfrohen, energischen Menschen war eine farblose, stumpfe Frau geworden. Für alle Beteiligten waren es traurige Feiertage, außer für den zehn Monate alten Richard, der eben lernte, aufzustehen, indem er sich an alles klammerte, was in seine Nähe kam.
    Florentyna kehrte Anfang Januar nach Washington zurück. Nichts veränderte sich, und selbst Edward gab die Hoffnung auf.
    Janet Brown wartete fast ein Jahr, bis sie Florentyna mitteilte, daß Senator Hart ihr einen interessanten Job angeboten habe.
    »Du mußt das Angebot annehmen, meine Liebe. Hier hast du nichts mehr verloren. Ich werde meine Amtsperiode absolvieren und mich dann zurückziehen.«
    Auch Janet versuchte Florentyna umzustimmen. Es gelang ihr nicht.
    Florentyna sah die Post durch; fast hätte sie einen Brief von Bella übersehen, die sich beklagte, daß sie nicht zur Hochzeit ihrer Tochter gekommen war, dann unterzeichnete sie ein paar Briefe, die sie weder geschrieben noch durchgelesen hatte. Es war sechs Uhr. Auf dem Schreibtisch vor ihr lag eine Einladung von Senator Pryor zu einem kleinen Empfang. Florentyna warf die elegante Karte in den Papierkorb, steckte die Washington Post ein und beschloß, allein nach Hause zu gehen.
    Solange Richard am Leben gewesen war, hatte sie sich nie allein gefühlt.
    Sie verließ das Russell Building und ging über den Rasen der Union Station Plaza. Bald würde Washington in ein Farbenmeer getaucht sein. Der Springbrunnen plätscherte, und bevor Florentyna die Stufen zur New

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