Archer, Jeffrey
Leben mehr. Wenn sie es möglich machen konnte, verbrachte sie die Wochenenden mit William, Joanna und ihrem zweijährigen Enkel im Red House in Boston. Wann immer sie sich zu einem Wochenende auf dem Cape entschloß, kam Annabel zu Besuch.
Edward jetzt Vorsitzender der Baron-Gruppe und Vizevorsitzender der Lesterbank erstattete ihr mindestens einmal pro Woche Bericht; auf seine Erfolge wäre auch Richard stolz gewesen. Hin und wieder spielte er auf dem Cape eine Runde Golf mit ihr, aber anders als zu Richards Lebzeiten, war Florentyna immer die Siegerin. Und jedesmal spendete sie ihren Gewinn in Gedenken an Richard dem lokalen Klub der Republikaner. Der Schatzmeister der Grand Old Party notierte die Spende als anonym, da Florentynas Wähler schwerlich verstanden hätten, warum sie beide Seiten unterstützte.
Edward ließ Florentyna über seine Gefühle nicht im unklaren, und einmal ging er sogar so weit, einen Heiratsantrag zu wagen. Florentyna küßte ihren besten Freund zart auf die Wange. »Ich werde nie mehr heiraten«, sagte sie. »Solltest du mich aber je im Golf schlagen, werde ich mir den Antrag nochmals überlegen.«
Edward nahm sofort Golfstunden, aber Florentyna war immer besser als er.
Als die Presse erfuhr, daß Senatorin Kane die Schlüsselre-de anläßlich des demokratischen Parteikonvents in Detroit halten werde, wurde sie wieder als mögliche Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen von 1992 bezeichnet.
Edward war beeindruckt von diesen Andeutungen, und Florentyna mußte ihn daran erinnern, daß die Presse in den letzten Monaten schon dreiundvierzig andere Kandidaten erwähnt hatte. Pete Parkin war, wie der Präsident voraus-gesehen hatte, wütend, als er von der Möglichkeit hörte, Florentyna könne Vizepräsidentin werden, beruhigte sich jedoch, als er feststellte, daß der Präsident keine Absicht hatte, ihn fallenzulassen. Dies bestärkte Florentyna in der Annahme, daß Pete Parkin, sollte sie in vier Jahren tatsächlich kandidieren, ihr größter Rivale sein würde.
Der Präsident und Pete Parkin wurden auf einem langweiligen Parteikonvent neuerlich nominiert, nur einige wenige Andersdenkende hinderten die Delegierten am Einschlafen. Sehnsüchtig dachte Florentyna an früher, wie zum Beispiel an den Konvent der Republikaner 1976 in Kansas City, als Nelson Rockefeller in der Versamm-lungshalle den Telefonstecker aus dem Boden gerissen hatte.
Die Delegierten belohnten Florentynas Rede mit einem Applaus, der sich nur mit dem Beifall nach der Ansprache des Präsidenten vergleichen ließ, und am nächsten Tag sah man plötzlich überall »Kane für 1992«-Plakate und Ansteckknöpfe. Nur in Amerika können über Nacht zehntausend Ansteckknöpfe auftauchen, überlegte Florentyna, und nahm einen für den kleinen Richard mit.
Ihre Präsidentschaftskampagne begann, ohne daß sie auch nur den kleinen Finger gerührt hätte.
Während der letzten Wochen vor der Wahl bereiste Florentyna fast so viele Bundesstaaten wie der Präsident, und die Presse meinte, ihre bedingungslose Loyalität habe vermutlich viel zu dem knappen Sieg der Demokraten beigetragen. Ralph Brooks kehrte mit einer etwas größeren Stimmenmehrheit in den Senat zurück. Florentyna fiel ein, daß es nur noch zwei Jahre bis zu ihrer eigenen Wiederwahl waren.
Als der 101. Kongreß zum erstenmal tagte, versicherten viele Kollegen Florentyna ihrer Unterstützung, falls sie für die Präsidentschaft kandidieren sollte. Sie wußte, daß manche Pete Parkin genau das gleiche sagten, aber sie notierte jeden Namen und schrieb am selben Tag einen Dankesbrief.
Vor der Wiederwahl in den Senat mußte sie die neue Gesetzesvorlage über die Reorganisierung der Öffentlichen Wohlfahrt durch beide Häuser bringen, und das war eine schwere, zeitraubende Aufgabe. Sie beantragte persönlich sieben Zusätze zu der Vorlage; die Bundesre-gierung hatte für alle Kosten aufzukommen, ein Mindesteinkommen festzulegen und das gesamte Sozial-system zu revidieren. Florentyna wurde nicht müde, ihre Kollegen zu überreden, zu bestürmen, ja, fast zu bestechen, bis die Vorlage endlich zum Gesetz wurde. Als der Präsident im Rosengarten das Gesetz unterzeichnete, stand sie hinter ihm, und die Fotografen, die den abgegrenzten Platz umringten, filmten und knipsten unaufhörlich. Es war die bisher größte Leistung in Florentynas politischer Karriere. Der Präsident gab eine Erklärung ab, dann stand er auf und schüttelte Florentyna die Hand. »Das ist die
Weitere Kostenlose Bücher