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Archer, Jeffrey

Archer, Jeffrey

Titel: Archer, Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abels Tochter
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Lieblingsbluse heraus. Miss Tredgold begleitete sie zum Bahnhof; die wenigen Worte, die sie auf dem Weg wechselten, waren griechisch. Zum Schluß sagte die Erzieherin ihrem Schützling: »Verwende nicht zuviel Zeit auf die einfachste Frage.«

    Auf dem Bahnsteig nahm jemand Florentyna um die Taille und hielt ihr eine Rose vor die Nase.
    »Edward, du Kerl!«
    »So spricht man nicht mit dem Präsidenten des Schülerrates. Wenn du den Woolson-Preis nicht bekommst, brauchst du gar nicht zurückzukommen«, sagte er und küßte sie auf beide Wangen. Keiner von ihnen bemerkte Miss Tredgolds Lächeln. Florentyna fand ein leeres Abteil, und da sie kaum von der »Orestie« aufsah, hinterließ ihr die Reise keinen Eindruck.
    In Boston wurde sie von einem Ford-Kombi abgeholt, der sie und vier andere Mädchen – sie mußten im selben Zug gewesen sein nach Radcliffe Yard brachte. Während der Fahrt wurde das lastende Schweigen nur gelegentlich von höflicher Konversation unterbrochen. Florentyna war froh, daß man sie in einem Einzelzimmer untergebracht hatte; so konnte sie ihre Nervosität verbergen.
    Um sechs versammelten sich die Mädchen in der Longfellow Halle, wo der Dean, Mrs. Wilma Kirby-Miller, die Prüfung erklärte.
    »Morgen, meine Damen, werden Sie von neun bis zwölf die Lateinarbeit schreiben, und nachmittags zwischen drei und sechs die griechische. Am folgenden Morgen werden Sie die Prüfung mit der Arbeit über allgemeine Fragen abschließen. Es wäre töricht, allen Erfolg zu wünschen, da nur eine den Woolson-Preis gewinnen kann. Aber ich möchte die Hoffnung ausdrücken, daß jede von ihnen, wenn sie die drei Arbeiten geschrieben hat, überzeugt ist, ihr Bestes geleistet zu haben.«
    Florentyna kehrte in ihr Zimmer in der Garden Street zurück und fühlte sich verlassen und ausgebrannt. Sie ging hinunter zum Telefon und rief ihre Mutter und Miss Tredgold an. Um drei Uhr früh erwachte sie, las ein paar Seiten in Aristoteles’ Politeia, konnte sich jedoch nichts merken. Um sechs Uhr ging sie ein paarmal um den Radcliffe Yard, bevor sie im Agassiz House frühstückte.
    Zwei Telegramme erwarteten sie, eines von ihrem Vater, der ihr Glück wünschte und sie in den Sommerferien zu einer Europareise einlud, ein zweites von Miss Tredgold:
    »Das einzige, wovor wir Angst haben müssen, ist die Angst selbst.«
    Nach dem Frühstück ging sie wieder spazieren, diesmal mit ein paar schweigenden Mädchen, dann strömte alles in die Longfellow Hall. Zweihundertdreiundvierzig Mädchen warteten, daß die Glocke neun Uhr schlug und sie die braunen Umschläge öffnen durften, die vor ihnen auf den Schreibtischen lagen. Florentyna überflog die Lateinarbeit und las sie dann ein zweitesmal langsam durch, bevor sie die Fragen wählte, die sie am besten beantworten zu können glaubte. Um zwölf Uhr wurden die Arbeiten eingesammelt. Florentyna ging in ihr Zimmer, las zwei Stunden griechisch und aß einsam und allein zum Lunch eine Schokoladenstange. Am Nachmittag versuchte sie drei griechische Fragen zu beantworten. Als die Arbeiten um sechs abgegeben werden mußten, schrieb sie immer noch Ergänzungen. Erschöpft ging sie in die Garden Street zurück, fiel auf ihr Bett und rührte sich nicht, bis es Zeit zum Abendessen war. Bei Tisch hörte sie den Gesprächen zu – das Thema war gleich, nur die Akzente – von Philadelphia bis Houston, und von Detroit bis Atlanta –
    waren verschieden. Es war tröstlich, daß alle anderen ebenso aufgeregt das Prüfungsresultat erwarteten wie sie selbst.
    Florentyna wußte, daß fast alle, die zur Prüfung antraten, einen Platz in Radcliffe bekommen würden. Zweiundzwanzig bekamen ein Stipendium, aber nur eine würde den begehrten Preis gewinnen.

    Am zweiten Tag öffnete sie den braunen Umschlag mit dem allgemeinen Thema, befürchtete das Schlimmste, entspannte sich jedoch ein bißchen, als sie die erste Frage las: »Welche Veränderungen hätten sich nach Ihrer Meinung ergeben, wenn das 22. Amendment gebilligt worden wäre, bevor Roosevelt Präsident wurde?«
    Ohne auch nur aufzublicken, begann sie zu schreiben.

    Bei ihrer Rückkehr wurde Florentyna von Miss Tredgold erwartet.
    »Ich will nicht fragen, ob du glaubst, den Preis gewonnen zu haben, nur, ob du so gut warst, wie du gehofft hast.«
    »Ja«, sagte Florentyna und nach kurzem Nachdenken:
    »Wenn ich kein Stipendium bekomme, dann war ich nicht gut genug.«
    »Mehr kannst du nicht verlangen, und ich kann es auch nicht. Jetzt ist der

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