Archer, Jeffrey
mit internationalen Städtebauexperten. Sie telefonierte mit ihrem Vater, ihrer Mutter und George Novak, und kam widerwillig zu dem Schluß, daß zwar alle verschiedene Entschuldigungen vorbrachten, Ferpozzi aber im Grund recht hatte. Eine Woche später saß sie in der letzten Reihe des Seminarraums, ängstlich wartend, was ihre Kollegen vorbringen würden.
Professor Ferpozzi sah Florentyna kurz an, klopfte die Pfeife aus und wandte sich an die Zuhörer. »Bitte legen Sie Ihre Arbeiten am Schluß des Seminars auf meinen Schreibtisch; heute möchte ich über den Einfluß von Borrominis Arbeiten auf den europäischen Kirchenbau sprechen.«
Sein Vortrag war so farbig und brillant, daß die dreißig Studenten an seinen Lippen hingen. Als er geendet hatte, beauftragte er einen blonden jungen Mann in der ersten Reihe, ein Referat über das erste Zusammentreffen von Borromini mit Bernini vorzubereiten.
Wieder blieb Florentyna sitzen, während alle anderen ihre Arbeiten abgaben und gingen. Als sie allein waren, überreichte sie Ferpozzi ein Paket. Es enthielt eine Royal-Worcester-Teekanne aus dem Jahr 1912. »Wunderschön«, sagte er anerkennend, »und so wird sie bleiben, solange sie niemand fallen läßt.«
Beide lachten. »Danke, junge Dame.«
»Danke«, erwiderte sie, »daß Sie mir weitere Erniedri-gungen erspart haben.«
»Ihre bewundernswerte Zurückhaltung – ungewöhnlich bei einer Frau – machte es überflüssig. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, aber es wäre sträflich gewesen, nicht zu versuchen, jemanden zu beeinflussen, der einmal das größte Hotelimperium der Welt beherrschen wird.«
Dieser Gedanke war Florentyna noch nie gekommen.
»Bitte, sagen Sie Ihrem Vater, daß ich auf Reisen immer in einem Baron wohne. Zimmer, Bedienung und Essen sind besser als in jeder anderen Hotelkette, und sobald man in einem Hotel ist und hinaussieht, kann man sich über nichts beklagen. Lernen Sie soviel über den Sohn des Steinmetzes, wie ich über den Hotelerbauer aus Slonim weiß. Ihr Vater und ich sind beide Einwanderer, und darauf werden wir immer stolz sein. Guten Tag, junge Dame.«
In dem traurigen Bewußtsein, sehr wenig über das Reich ihres Vaters zu wissen, verließ Florentyna die Bibliothek.
Sie konzentrierte sich auf ihr Sprachenstudium, Dienstag nachmittags aber hörte sie immer Ferpozzis Vorlesung.
Präsident Conant meinte einmal beim Dinner, es sei schade, daß seinen gelehrten Kollegen mit Florentyna eine Freundschaft verband, die er eigentlich dreißig Jahre früher hätte schließen sollen.
Die Abschlußfeier in Radcliffe war eine bunte Angelegenheit. Stolze, elegant gekleidete Eltern mischten sich unter die Professoren in ihren purpurnen, scharlachroten und andersfarbigen Talaren. Sie gingen umher und sagten den Besuchern, wie wacker sich ihre Kinder geschlagen hatten – manchmal mit ein bißchen freundlicher Nachsicht. In Florentynas Fall war dies nicht nötig; sie hatte summa cum laude abgeschlossen und war schon vorher in die Reihen von Phi Beta Kappa aufgenommen worden.
Für Florentyna und Bella war es ein Tag der Freude und der Trauer, denn sie würden weit entfernt voneinander leben – die eine in New York, die andere in San Francisco.
Bella hatte Claude am 28. Februar einen Heiratsantrag gemacht – »konnte nicht auf ein Schaltjahr warten«, erklärte sie – und sie wurden in den Sommerferien in der Kapelle von Harvard getraut. Claude hatte auf der Formel bestanden, »zu lieben, zu ehren und gehorsam zu sein«, und Bella hatte eingewilligt. Als Claude beim Empfang Florentyna fragte: »Ist Bella nicht schön?« wußte sie, wie glücklich die zwei waren.
Bella meinte, es sei traurig, daß Wendy nicht da sei.
»Nicht, daß sie je auch nur einen Tag studiert hätte«, fügte sie grinsend hinzu.
»Florentyna hat im letzten Jahr überaus hart gearbeitet, was sie erreichte, hat niemanden erstaunt«, sagte Miss Rose zu Abel.
»Sicher verdankt sie Ihnen sehr viel«, erwiderte dieser.
»Keineswegs. Ich wollte Florentyna überreden, nach Cambridge zurückzukehren und auf das Philosophiedokto-rat hinzuarbeiten, aber sie scheint andere Pläne zu haben.«
»Ohne Zweifel«, sagte Abel. »Florentyna wird Direktorin der Baron-Gruppe und die Verantwortung für alle Hotelläden übernehmen. In den letzten Jahren sind es mehr und mehr geworden, und ich fürchte, ich habe sie vernachlässigt.«
»Du hast mir nicht gesagt, daß du das im Sinn hast, Florentyna«, sagte Bella mit ihrer dröhnenden
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