Arctic Fire: Thriller (Ein Scarecrow-Thriller) (German Edition)
»Sie … vertrauen mir? Warum?«
»Weil Sie nicht nur hierhergekommen sind, um mich im Auftrag Frankreichs zu töten. Sie sind auch wegen Ihres Cousins gekommen. Sie dachten, ihm wäre Unrecht geschehen und er wäre als unschuldiger Zivilist von einem Soldaten ermordet worden: nämlich von mir. Ihre Prämisse war zwar falsch, aber Ihr Motiv nicht. Es zeigt, dass Sie einen Sinn für Gerechtigkeit und für Recht und Unrecht haben, und das wiederum heißt, dass Sie ein anständiger Mensch sein müssen. Und mit anständigen Menschen kann man vernünftig reden. Außerdem verdienen Sie es, gerettet zu werden, solange es irgendwie möglich ist. Und das war es.«
Champion senkte den Blick. Sie schien eine Art innerer Zwiesprache zu halten. Doch als sie wieder aufschaute, war ihr Blick hart und kalt.
»Sie täuschen sich. Ich hatte einmal einen Sinn für Gerechtigkeit. Ich war einmal ein anständiger Mensch. Jetzt bin ich eine Killerin. Wenn das hier vorbei ist, muss ich meinen Auftrag ungeachtet meiner Verwundung ausführen. Und dieser Auftrag lautet, Sie zu töten.«
Schofield verzog keine Miene.
»Aber Sie waren nicht immer eine Killerin, habe ich recht?«, entgegnete er. »Tut mir leid, aber dafür sind Sie einfach nicht der Typ. Dafür sind Sie viel zu sensibel. Die meisten Killer sind aus zwei Gründen kaltblütig. Zum einen können sie sich nicht in andere hineinfühlen, zum anderen sind sie einfach dumm. Jeder Idiot kann blindlings drauflosballern und sich deshalb stark fühlen. Aber Sie sind weder das eine noch das andere. Irgendetwas ist mit Ihnen passiert.«
»Wollen Sie jetzt den großen Psychologen spielen?«
»Solange wir nichts Besseres zu tun haben …«
»Na schön.« Champion ließ den Kopf in den Nacken sinken und blickte, sich ihren schmerzenden Bauch haltend, in den Himmel. »Ich werde Ihnen meine Geschichte erzählen – aber nur, wenn Sie mir Ihre erzählen. Und vor allem möchte ich wissen, wie es ein Marine verkraftet, dass seine Freundin von einem Psychopathen hingerichtet wurde.«
Jetzt war es an Schofield, den Blick zu senken, wenn auch nur kurz. »Na schön, meinetwegen. Aber Sie zuerst.«
»Bevor ich in der operativen Einheit war«, begann Champion, »war ich beim Nachrichtendienst der DGSE . Ich überwachte militante islamistische Gruppen in Algerien, Marokko und im Jemen. Mein besonderes Augenmerk galt dabei der zunehmenden Rekrutierung von Frauen. Dabei freundete ich mich mit Hannah Fatah an, einer Jemenitin, Mutter von fünf Kindern. Sie spielte mir drei Jahre lang wichtige Informationen zu – Informationen, durch die zwei Anschläge in Paris vereitelt werden konnten: einer auf den Eiffelturm und einer auf den Flughafen Charles de Gaulle.
Eines Tages bat mich Hannah, mich dafür einzusetzen, dass sie aus dem Jemen herausgeholt würde. Sie war wieder einmal schwanger und fürchtete, ihre Vorgesetzten könnten herausgefunden haben, dass sie ein Maulwurf war. Daraufhin habe ich sie herausgeholt und in die DGSE -Station in Marseille gebracht. Dort zündete sie beim Betreten des Vernehmungszimmers unter den Augen meines Chefs – der damals mein Mann war – und dessen Chefs, der mit ihm das Ganze durch einen Einwegspiegel verfolgte, einen kleinen Klumpen Semtex, den sie sich in die Gebärmutter hatte einsetzen lassen.
Ich hatte den Sprengstoff übersehen. Weil ihr letztes Kind per Kaiserschnitt zur Welt gekommen war, hatte sie nämlich bereits eine Narbe auf der Bauchdecke, und weil der Sprengstoff von einer Hülle aus menschlichem Knochengewebe umgeben war, die einen Fötus vortäuschen sollte, blieb er auch bei unseren Röntgen- und Kathodenstrahlenuntersuchungen unentdeckt. Sie war vier Sicherheitsüberprüfungen unterzogen worden, bevor sie in diesen Raum geführt wurde und dort zwei hochrangige DGSE -Agenten, einer davon mein Mann, und drei weitere Kollegen tötete. Ich habe als Einzige überlebt. Sie hatte drei Jahre auf diese Gelegenheit gewartet.«
Darauf wusste Schofield nichts zu erwidern.
Champion fuhr fort: »Mein Mitgefühl für Hannah Fatah hat meinen Mann – und meine engsten Mitarbeiter – das Leben gekostet. Deshalb beschloss ich damals, mir künftig kein Mitgefühl mehr zu leisten. Ich wurde eiskalt. Ich ließ mich zur operativen Abteilung versetzen und führte keinen Monat später meinen ersten Tötungsauftrag aus. Und seitdem tue ich nichts anderes mehr.«
Sie hielt inne. »Schon komisch, Scarecrow. Als ich meine Erkundigungen über Sie eingezogen habe, bin
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