Ardeen: Band 1: Der Kreis der Magie (German Edition)
Krach schlug sie auf dem Marmorboden auf und hinterließ dort eine hässliche Kerbe im Mosaik.
„Erbärmlich“, zischte Raiden und erinnerte mehr denn je an eine Schlange. Heiser und überschlagend war seine Stimme nun: „Zieh dich aus!“
„Du bist wahnsinnig! Was habe ich dir getan?“, brüllte Eryn dagegen, den nun die Angst gepackt hatte. Etwas Schreckliches wird geschehen . Noch bevor Eryn sich bewegte, waren seine Kleider verschwunden und er wurde unsanft in den Kreis des Diagrammes gezogen.
„Der Alte will es. Also wird es geschehen“, flüsterte Meister Raiden mit einer Grabesstimme.
Die Magie drückte Eryn zu Boden und fixierte ihn mit ausgestreckten Armen und Beinen inmitten des Zauberzeichens. Panik ergriff ihn, als Prinz Raiden anfing, den Zauber zu intonieren. Eryn brüllte dem anderen Beschimpfungen entgegen, doch Raiden intonierte mit einer unerschütterlichen Stimme, die wie ein Sturm anschwoll und alle anderen Geräusche um sich herum erstickte. Dann begann der Zauber Eryn zu durchdringen, umschloss seine gerade erst frisch entdeckten Kräfte und verwehrte ihm den Zugriff darauf. Eine Welle Magie nach der anderen brandete über ihn hinweg und raubte ihm die Luft zum Atmen. Keuchend rang er nach Luft, nicht mehr in der Lage, etwas anderes zu tun, als es über sich ergehen zu lassen. Der Seelenbann gehörte zu den schwierigsten Zaubern überhaupt und nur die mächtigsten Magier waren in der Lage, ihn zu wirken. Aber für Prinz Raiden war es auch der Zauber, den er am intensivsten studiert hatte. Jedes kleinste Detail unzählige Male, immer auf der Suche nach dem winzigen Fehler, der es ihm erlauben würde, sich von dem Fluch zu befreien. Nun bereits fünfundzwanzig Jahre lang vergebens.
Die Stunden verflossen und Raidens Stimme hob und senkte sich. Die Worte der Macht gesprochen in sanftem Flüstern, dann wieder aufbrausend wie der Sturmwind, bis er zuletzt den abschließenden Satz sprach und den Bann besiegelte. Bis in alle Ewigkeit.
Die Stille war seltsam. Raiden fühlte sich leer und ausgebrannt. Er betrachtete den jungen Mann, der immer noch nackt im Kreis lag. Einen kurzen Moment flackerte ein Gefühl des Bedauerns in Raiden auf.
Willkommen in der Hölle.
Dann nahm er die magischen Fixierungen von Eryn.
„Zieh dich an!“, zischte Meister Raiden und Leben kam in den geschundenen Körper des anderen. Eryn kroch aus dem Kreis, um dann zusammengekrümmt und zitternd auf dem Boden liegen zu bleiben. Die Laute, die er ausstieß, erinnerten mehr an das klägliche Schreien eines Tieres, als an die Sprache einen Menschen.
„Erbärmlich“, bemerkte Raiden angewidert. „Nimm deine Kleider und geh in dein Zimmer! Dort bleibst du vorerst.“
Eryn erschauerte bei jedem Wort, das der Prinz sprach. Hose und Hemd lagen fast neben ihm und zittrig packte er die Kleidung. Dann hetzte er aus dem Raum, ohne sich die Mühe zu machen, sich vorher anzuziehen.
„Erbärmlich“, wiederholte der Herr von Naganor laut seine vorherige Einschätzung, dann fügte er in Gedanken hinzu: Zwei Tage lang habe ich damals Elderon widerstanden und der Junge hat sofort nachgegeben.
Die Schwäche des anderen ekelte Raiden an. Aber im Grunde genommen war es nicht die Schwäche, sondern der Spiegel, den er sich erschaffen hatte. Der Prinz von Ardeen sah sich selbst in Eryn wieder. Genauso habe ich vor Meister Elderon gelegen und genauso jämmerlich gewinselt. Zwei Jahre habe ich damals gebraucht, um Meister Elderon überhaupt wieder aufrecht entgegentreten zu können. Mit Bitterkeit dachte Raiden daran und dieselbe Bitterkeit empfand er darüber, was er gerade getan hatte.
Der Alte wollte es so. Es war sein Wille, nicht der meine.
Eryn rannte durch die Flure, die Kleidung als Bündel zusammengeknüllt und vor sich an den Körper gepresst. Er rannte so schnell ihn seine Füße trugen, weg von dem verrückten Prinzen. Es war Nacht draußen und keine Menschenseele begegnete ihm auf seinem Weg, an den er sich glücklicherweise noch gut erinnern konnte. Sein Zimmer kam ihm diesmal wie eine sichere Zuflucht vor, als er die Tür hinter sich schloss.
Hatte er sich zuvor danach gesehnt, den Raum endlich verlassen zu können, so waren ihm die vier Wände in den letzten Wochen doch vertraut geworden und weckten ihn ihm durchaus positivere Erinnerungen als die anderen Orte, die er in Naganor kennengelernt hatte.
Was hat der Prinz mit mir gemacht und warum?, fragte er sich immer wieder. Habe ich nicht alles getan,
Weitere Kostenlose Bücher