Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
wo Ihr doch so viele Leben hättet retten können.“
Wie kleine Nadeln trafen Meister Raidens Worte und der oberste Magier mischte sich ein: „Meine Herren, wollten wir nicht über den Jungen reden? Die Vergangenheit kann so oder so nicht mehr geändert werden. Es ist die Zukunft, der wir uns zuwenden müssen.“
Meister Raiden neigte leicht den Kopf.
„Natürlich. Wie Ihr bereist wisst, habe ich meinen Schüler für ein halbes Jahr an Meister Tellenor ausgeliehen. Nicht, weil ich seiner überdrüssig wurde, sondern weil ich in Meister Tellenors Schuld stand. Einer meiner Männer wurde von einer Fee gebissen und ich selbst – muss ich zu meiner Schande gestehen – war nicht mehr in der Lage, ihn zu heilen. So bat ich Meister Tellenor darum und als Dank dafür habe ich – auf sein Verlangen hin – meinen Schüler an ihn ausgeliehen. Und nun musste ich erfahren, dass hinter meinem Rücken darüber geredet wird, Eryn gänzlich in Gahaeris zu belassen. Ist das die anständige Art, wie man miteinander umgeht?“
Meister Elderon konnte nicht leugnen, dass Raiden seine Worte geschickt wählte.
„Raiden, als wir zuletzt über den Jungen redeten, da wolltest du ihn unbedingt loswerden. Er sei ein Klotz am Bein, eine Belastung. Das, glaube ich, waren deine Worte damals. Du hast mich inständig darum gebeten und nun dachte ich, dir damit einen Gefallen zu tun.“
Der Herr von Naganor lehnte sich zurück und setzte sein gewinnbringendstes Lächeln auf.
„Meister Elderon, das ist bereits Jahre her. Seit damals hat sich Eryn – dank meiner Unterweisung – enorm entwickelt. Und ich habe ihn als Schüler angenommen. Er unterstützt mich inzwischen bei meinen Forschungen. Als Ihr mich batet, ihn zu… lehren, da konnte er nicht einmal Lesen und Schreiben, geschweige denn einen Zauber wirken. Wen wundert es da, dass ich wenig Freude hatte, einen Anfänger zu unterrichten und mich dann – meine Schuld – in einem unbedachten Moment zu solchen Äußerungen habe hinreißen lassen? Ihr beide habt selbst zahlreiche Schüler unterrichtet. Waren da nicht auch Momente, die an Eurer Geduld zehrten?“
Nun mischte sich Meister Tellenor ein: „Pah, das ist doch wohl maßlos übertrieben, dass er Euch bei Euren Forschungen unterstützt. Der Junge ist noch komplett grün hinter den Ohren, sein Grundlagenwissen ist auf keinen Fall gefestigt und Ihr lehrt ihn Torzauber. Das erfuhr ich von dem Jungen selbst. Findet Ihr das nicht unverantwortlich und sehr gefährlich? Wie schnell verliert man einen begabten jungen Zauberer, wenn er die Konsequenzen seines Tuns nicht abzuschätzen vermag und sich durch gewagte Experimente tödlichen Gefahren aussetzt? Der Junge braucht eine sichere und verständnisvolle Führung.“
Meister Raiden zog eine Augenbraue hoch. „Und wie kommt es dann, dass mein Schüler, der in Eurer Obhut ist, im Wald von Gahaeris einem Tageroth gegenüberstand und sein Leben nur dadurch gerettet werden konnte, dass ich kurzzeitig Besitz von ihm ergriffen habe, um das Monster zu töten?“
„Ihr wart es also, und ich habe mich schon gewundert, wie der Junge das zuwege gebracht hat. Wisst Ihr eigentlich, wie selten die Tageroths geworden sind? Und dank Eurer Mordlust gibt es nun einen weniger!“
„Meister Tellenor, Ihr würdet Eryns Leben für das dieses Monsters opfern?“, warf Raiden ein und langsam bröckelte Tellenors höfliche Fassade.
„Es hätte gar nicht so weit kommen dürfen. Der Junge wurde ausdrücklich davor gewarnt, den Wald zu betreten. Mit Freundlichkeit und Güte haben wir ihn behandelt, aber sein Herz ist bereits durch Eure ‚Erziehung‘ vergiftet. Dieselbe aggressive Art, der Egoismus und die Verachtung für das Leben. Ja, der Junge lernt wahrlich von Euch, Meister Raiden. Um nicht zu sagen, er wird ein Abbild Eurer selbst.“
„Meister Tellenor, Ihr lebt schon zu lange von aller Welt entrückt in Eurem Turm. Im Gegensatz zu Euch habe ich mit vielen Leuten zu tun. Magische und unmagische, alte und junge, Adel und einfache Bürger. Der Junge ist nicht anders als die anderen Männer seines Alters auch. In einem Alter, an das Ihr Euch mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr erinnern könnt. Er ist interessiert und neugierig und manchmal unbeherrscht und frech. Und wie jeder junge Mann seines Alters braucht er eine harte Hand. Es war offensichtlich, dass er irgendwann auf die Idee kommen würde, den ach so verbotenen Wald zu betreten, sei es aus Neugierde oder weil er es einfach nur satt
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