Arglist: Roman (German Edition)
war.« Sein Blick wendete sich Oliver zu. »Wie fandest du die Arbeit des Morddezernats damals?«
»Sie haben ungefähr sechs Monate lang ziemlich hart an dem Fall gearbeitet. Dann traten sie auf der Stelle, alle Spuren waren eiskalt. Ich weiß noch, dass Arnie und Cal sich immer mal wieder dransetzten, aber es war keine Sache mit viel Kriminaltechnik. Es gab ein bisschen Beweismaterial der Ballistiker, ein paar Fingerabdrücke, die Arnie öfters abfragen ließ. Und DNA?« Oliver tastete wie ein Blinder mit den Händen in der Luft herum. »Kalt, ganz kalt.«
»Was hieltst du von Cal und Arnie?«, fragte Decker.
Oliver dachte über die Frage erst mal nach. »Sie waren kompetent. Ich mochte Arnie mehr als Cal, aber das soll nicht heißen, dass Cal ein schlechter Bulle war. Hast du schon mit Vitton gesprochen?«
Decker signalisierte kopfschüttelnd ein Nein. »Nur mit Lamar.«
»Was denkst du über ihn?«, fragte Marge ihren Chef.
»Er ist in Ordnung... schien sich wirklich Gedanken darüber zu machen.« Dann wandte er sich wieder an Oliver: »Hast du jemals mit ihnen bei anderen Mordfällen zusammengearbeitet?«
»Klar, bei den Morden, die wir zu fünft bearbeitet haben. Sie waren kompetent, wenn nicht sogar ansteckend in ihrem Engagement. Sie wirkten wie ein eingespieltes Pärchen.«
»Lamar sagt, er würde nur noch selten mit Vitton reden, jetzt wo sie beide pensioniert sind. Cal ist offensichtlich ein Grübler.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, meinte Oliver. »Ich glaube, er hat eine üble Scheidung hinter sich.«
»Habt ihr einen von Littles Kollegen nach Darnell Arlington gefragt?«, fuhr Decker fort.
Marge ging schnell ihre Notizen durch. »Marianne Seagraves, eine Englischlehrerin, erinnert sich an ihn als einen – ich zitiere – ›einen riesigen schwarzen Jungen, der immer auf der Suche nach Streit war und alle anderen für alles verantwortlich machte‹. Darnell wuchs ohne Vater auf, und seine Mutter hatte ein Drogenproblem. Marianne sagt, dass Little sein Bestes für Darnell getan hat – Nachhilfe nach Schulschluss, auswärts gemeinsam essen gehen, jede Menge persönliche Gespräche, Weihnachtsgeschenke -, aber niemand war überrascht, als Darnell der Schule verwiesen wurde.«
»Irgendwelche Gewaltgeschichten?«
»Darnell war in viele Streitereien verwickelt, allerdings ohne Waffen, soweit Marianne sich erinnern kann.«
»Hast du herausgefunden, wo er jetzt ist?«
»Ich habe einen Highschool-Sportlehrer namens Darnell Arlington entdeckt, der in der Nähe von Akron, Ohio, lebt, konnte aber noch nicht überprüfen, ob es sich um denselben Darnell Arlington handelt.«
»Wie viele Darnell Arlingtons gibt es denn da draußen?«, fragte Decker.
»Im Internet tauchen vier auf: einer in Texas, einer in Louisiana, einer in Wisconsin, der Letzte in Ohio.«
»Das ist das Problem mit den Suchmaschinen«, meckerte Oliver, »sie bringen immer diese ganzen überflüssigen Informationen ans Licht.«
»Ja, aber manchmal auch die wichtigen«, erwiderte Marge. »Mein Großvater sagte immer: Alles hat seine zwei Seiten.«
Der Anruf ging um neun Uhr abends auf seinem Handy ein. Decker hatte zu Hause gemütlich im Pyjama gearbeitet und war die Little-Akte minutiös durchgegangen, um auch das geringste Fitzelchen eines übergangenen Hinweises zu finden. Nach einem Blick auf die Nummer wusste er, dass es Vitton war.
»Vielen Dank, dass Sie mich zurückrufen, Detective. Ich würde mich gerne mit Ihnen für eine Stunde treffen, wann immer es Ihnen passt, wegen des Mordes an Ben Little...«
»Sie brauchen gar nicht weiterzureden, Lieutenant. Arnie hat mich angerufen und mir erzählt, dass Sie mit Ihrer Mission bei ihm waren. Ich sage Ihnen gerne, was Sie bereits wissen. Wenn ich was Neues zu berichten hätte, wäre ich damit schon vor langer Zeit hausieren gegangen.«
»Darüber bin ich mir vollkommen im Klaren, Detective. Ich erwarte auch gar keinen Durchbruch. Mich interessieren nur Ihre Gedanken und Einblicke in...«
»Keine neuen Gedanken und schon gar keine neuen Einblicke. Die mit mir verbrachte Zeit wäre total verschwendet, weil ich Ihnen nichts Neues zu sagen habe.«
»Manchmal kommen allein schon durchs Reden wieder neue Sachen ans Licht.«
»Wir reden jetzt. Nichts Neues in Sicht.«
Decker biss die Zähne zusammen. »Trotzdem, wenn Sie mir eine Stunde Ihrer Zeit geben, wäre ich Ihnen sehr verbunden.«
»Warum?« Vittons Stimme klang noch gepresster. »Ich habe Ihnen doch schon
Weitere Kostenlose Bücher