Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
den ständigen Bedrohungen, die das Landeskriminalamt von ihnen abzuwenden suchte.
»Paul Regen, was sollen wir nur mit dir machen?«, fragte er, ohne den Blick von seinem Computer zu wenden. Immer, wenn Klaus Wochinger etwas Unangenehmes im Schilde führte, sprach er in der Wirform, obwohl es niemanden gab, den er meinen könnte.
»Mein oberster Feldherr fragt mich, in welchen dreckigen Schützengraben der Infanterist geschickt werden könnte? Wie wäre es mit der Pension?«
Hinter seinem Schreibtisch hing ein Bild von der Seine, ein Urlaubsmitbringsel aus einer Weinlaune heraus, von einem Maler, der aussah, wie sich Touristen einen Pariser Künstler vorstellen mussten und der in Wahrheit die Bilder nur verkaufte. Weil es sich in der Kunst meistens so verhielt, dass es einen mit dem Talent zum Zeichnen gab und einen mit dem Sinn für das Kommerzielle.
»Du weißt, dass du dazu viel zu jung bist, Paul.«
»Ich weiß, dass ich zu jung bin, um die nächsten zwanzig Jahre mit der Einführung von Computersystemen, Schnittstellen und abenteuerlichen Zeitplänen zu verbringen. Oder der Frage deines Büros, ob unsere Software Fehleingaben erkennt, wie ein tätowiertes Auge. Als ob das irgendjemand eingeben würde …«
»Hast du mir deshalb den Fisch geschickt?«, fragte Klaus Wochinger.
»Natürlich«, sagte Paul Regen. »Und weil es unser Jahrestag ist, hast du das vergessen?«
Klaus Wochinger seufzte und klickte etwas zu heftig auf seiner Maus herum, als dass Paul sein kleiner Ärger entgangen wäre.
»Es gibt wieder Beschwerden, weil du deine Dienstwaffe nicht trägst«, sagte Klaus Wochinger und faltete die Hände zum unschuldigen Gebet.
»Sag den Kollegen, es ist besser für sie. Außerdem habe ich in den letzten acht Jahren keine Waffe mehr abgefeuert, und ich gedenke nicht, das zu ändern. Außer auf dem Schießstand natürlich.«
»Ich weiß, dass du die vorgeschriebenen Trainings leistest, streng nach Vorschrift.«
»Natürlich«, sagte Paul Regen.
Sein Blick blieb wieder an dem Bild aus Paris hängen. Irgendetwas erinnerte ihn an seinen Fall. Die Seine war ein Fluss – wie die Isar. Aber ungleich größer. Es war nicht der Fluss, es war die Stadt. Paul hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte, aber er würde es herausfinden. Vermutlich bei seinem nächsten Spaziergang. Hier beim Wochinger jedenfalls nicht. Viel zu angespannt, viel zu hektisch zum ordentlichen Nachdenken.
»Hör mal«, sagte der Kriminaldirektor, »wäre es nicht für alle das Beste, wenn du dich einfach versetzen ließest? Ich bin sicher, wir finden gemeinsam einen schönen Posten für dich.«
»Seit Jahren kommst du mir mit dieser hirnrissigen Versetzungsidee, dabei bist du derjenige, der hierher nach München gekommen ist. Ich gehe hier garantiert nicht weg. So weit kommt es noch …«
»Lisa meint auch, dass es mittlerweile …«
»Was Lisa mir zu sagen hat, das sagt sie mir schon selber!«, sagte Paul Regen.
»Du hast wieder Kontakt mit ihr?«, fragte der Wochinger, dessen großes Problem eine übersteigerte Eifersucht war, die sich auf einer uralten Geschichte gründete. Paul Regen war damals mit Lisa zusammen gewesen. Aber sie hatte sich für Klaus entschieden. Vor über zehn Jahren. Ende der Geschichte.
»Sie hat mich angerufen. Heißt das jetzt, ich darf kommende Woche auch noch die neue Windows-Version auf deinem PC installieren? Weil ich ja jetzt so ein ausgewiesener IT-Experte bin?«
Klaus Wochinger, der sich gerne als obersten Feldherrn sah, aber nicht mehr war als ein Verwalter der Feldküchen, würde sich nun auf Vorschriften zurückziehen, wie er es jedes Mal tat, wenn das Thema auf Lisa kam.
»Die Digitalisierung ist ein wichtiger Teil unserer kriminalistischen Arbeit und gerade im Hinblick auf die neuen Datenschutzrichtlinien der EU eine nicht zu unterschätzende Verantwortung. Sind die überhaupt schon bereichsübergreifend umge…«
»Ich weiß schon, alles überaus wichtig«, sagte Paul Regen und legte die Akte, die er mitgebracht hatte, auf Wochingers Schreibtisch.
»Der Arm«, sagte Paul Regen.
»Welcher Arm?«, fragte Klaus Wochinger.
»Den sie aus der Isar gefischt haben«, sagte Paul Regen. »Mit dem hast du dir übrigens ein Eigentor geschossen.«
»Ach der«, sagte der Kriminaldirektor und widmete sich wieder seinem Computer. »Wieso Eigentor?«
»Weil es das Interessanteste ist, was ich in den letzten vier Jahren auf dem Schreibtisch hatte. Und bilde dir ja nicht ein, dass du ihn
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