Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
von Kriminalhauptkommissar Beck betrat, auch wenn nicht alles allein seine Schuld gewesen war.
KAPITEL 25
Amsterdam, Niederlande
Montag, 1. Juli 2013, 21.38 Uhr (am selben Tag)
Wie jeden Tag seit beinah einer Woche stieg Solveigh Lang unverrichteter Dinge vor dem Scala in ihren Wagen. Obwohl sich keine halbe Stunde nach ihrem ersten Besuch jemand bei Tergut, Marsh und Westerkamp nach Diane de Vries erkundigt hatte und die Antwort natürlich zufriedenstellend ausgefallen war. Frau de Vries vertritt Herrn Marsh während seines Urlaubs, hatte ein Mitarbeiter ausgerichtet. Nein, Herr Marsh ist derzeit nicht persönlich erreichbar, aber danke für Ihren Anruf. Und trotzdem blieben die Kellner so abweisend wie zuvor, und Michele Vizzone hatte sich nicht blicken lassen. Auch heute Abend hatte sie kein Glück gehabt. Als sie in ihr Auto stieg, bemerkte sie einen leicht süßlichen Geruch. Ihr gesteigerter Geruchssinn stand in direktem Zusammenhang mit ihrer Krankheit und hatte ihr, im Gegensatz zu den Kopfschmerzen, die einen Kollegen einmal fast das Leben gekostet hätten, schon einige gute Dienste erwiesen. Sollte es heute Abend passieren? Solveigh fuhr die Spaarndammerstraat hinunter und bog nach dem Westerpark rechts ab in den Haarlemmerweeg. Jetzt ging es darum, die Rolle der arglosen Anwältin besonders überzeugend zu spielen. Sie warf einen Blick in den Rückspiegel, um sich die Autos einzuprägen, als sie den Grund für den seltsamen Geruch entdeckte. Wie sie vermutet hatte, saß Michele Vizzone auf dem Rücksitz ihres Wagens und starrte sie unvermittelt an.
»Was wollen Sie von mir, Frau de Vries?«
»Guten Abend, Herr Vizzone«, sagte Solveigh. »Wie ungewöhnlich, aber schön, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen.«
»Sie waren sehr hartnäckig«, sagte Michele Vizzone. Er sprach Holländisch mit starkem italienischen Akzent.
»Wie ich schon Ihren Kollegen gesagt habe, geht es um einige Unregelmäßigkeiten bei Ihrer Kreditwürdigkeit …«
»Unsinn«, zischte Michele.
Solveigh ließ sich nicht beirren und fuhr weiter. Sie bemerkte, dass Vizzone nicht angeschnallt war.
»In den vergangenen drei Wochen wurden vermehrt Erkundigungen über Sie eingeholt, Signore Vizzone. Haben Sie irgendeine Erklärung dafür?«
»Was soll in den letzten zwei Wochen schon gewesen sein?«, knurrte Michele.
»Bitte vergessen Sie nicht, ich bin Ihre Anwältin«, sagte Solveigh. Sie versuchte einen Blickkontakt zu Michele herzustellen, aber er wich ihr aus.
»Wieso kommt Herr Marsh nicht selbst zu mir?«, fragte Michele misstrauisch.
»Weil Herr Marsh im Urlaub ist«, antwortete Solveigh wahrheitsgemäß. Er lag auf einer gecharterten Jacht irgendwo auf dem Mittelmeer und wäre nur per Funk über seine Sekretärin zu erreichen.
»Ich traue Ihnen nicht«, sagte Vizzone und griff nach dem Türöffner. Bevor er ihn erreichen konnte, hatte Solveigh den Knopf zum Verriegeln gedrückt. Michele Vizzoni schnallte sich an. Mist, der Mann kennt sich aus, dachte Solveigh und gab Gas. Dass er sich erst anschnallte, bevor er die Waffe zog, sprach dafür, dass er eine ähnliche Situation schon einmal erlebt hatte. Vermutlich vom Fahrersitz aus. Nichts war einfacher, als einen unangeschnallten Mann auf dem Rücksitz zu entwaffnen.
»Da sind wir schon zwei«, sagte Solveigh und riss das Lenkrad nach rechts. Sie rasten die Rampe zur Tiefgarage des Blue Hotel hinunter. Er oder ich. Unten angekommen, bog Solveigh scharf nach links ab und drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die acht Zylinder mit 350 PS katapultierten den Wagen die lange Gerade hinunter. Vierzig Kilometer pro Stunde. Denk daran, Solveigh, er ist ein Profi. Fünfzig Kilometer pro Stunde. Ab welchem Aufprall würden die Airbags ausgelöst? Alles hing davon ab, der Erste zu sein, der die Waffe nicht nur im Anschlag hielt, sondern auch zielen konnte. Sechzig Kilometer pro Stunde. Solveigh spannte alle Muskeln an und bereitete sich auf den Einschlag vor.
KAPITEL 26
Le Vigan, Frankreich
Montag, 1. Juli 2013, 22.08 Uhr (am selben Tag)
Die Eisenskulpturen schlugen gegeneinander, als er die letzten vier an den Armen packte und in seinen VW-Bus lud. Ein Mädchen, es mochte etwa acht Jahre alt sein, stand plötzlich neben der offenen Seitentür und starrte auf die Armee aus Metall. Das Mädchen kaute am Ärmel ihres Kleids, als er sie ansprach.
»Gefallen sie dir?«, fragte der Mann.
Das Mädchen schüttelte den Kopf. Der Mann ging in die Hocke und fragte:
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