Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
noch etwas: Habt ihr Bargeld dabei?«
Lila dachte an das Bündel mit ihrem Ersparten in der Seitentasche. Sie schüttelte den Kopf.
»Nur das, was ich hier dabei habe«, sagte sie und griff in die Hosentasche. Der Rest des Hundert-Leu-Scheins, den sie zu ihrem Geburtstag bekommen hatte. Ioana zog ihren Geldbeutel aus der Tasche. Sie zählte etwa vierhundert Lei ab. Ob sie noch mehr hatte? Lila vermutete, dass Ioana gar nicht darüber nachdachte, dass sie ohne Pässe und ohne Geld einem Mann, den sie gerade einmal seit fünf Minuten kannten, schutzlos ausgeliefert wären.
»Wir haben das nämlich gar nicht gerne, wenn Geld im Haus kursiert«, sagte er. »Gibt immer nur Scherereien.« Er streckte die Hand aus. Mit einem Seitenblick zu Radu, der aufmunternd nickte, legte Ioana ihre Geldbörse in die große Pranke. Lila legte die 88 Lei dazu und traute sich nicht, ihm in die Augen zu schauen. Sie hoffte, dass er ihre Unsicherheit nicht bemerkt hatte.
»Ich lege das zu euren Pässen, und wenn ihr weiterzieht, dann gebe ich euch das Geld zurück, okay?«
Lila und Ioana lächelten pflichtschuldig. Malo machte sich aus dem Staub.
»Also dann …«, sagte Radu.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Lila.
»Ja genau, was passiert jetzt mit uns? Bleiben wir hier?«
»Nein, maximal ein paar Tage, vielleicht eine Woche. Wir suchen ein Shooting für euch, und dann geht es weiter, vielleicht nach Berlin oder nach Paris.«
»Und du?«, fragte Ioana.
»Ich?«, fragte Radu. »Mein Job ist erledigt«, sagte er, und er klang ehrlich betrübt.
»Ich dachte, du zeigst uns die Stadt«, sagte Ioana.
»Und ich dachte, du betreust uns, wenn wir erst mit dem Modeln anfangen«, sagte Lila. »Wir kennen doch außer dir niemanden hier!«
»Ich bin nur ein kleines Licht«, sagte Radu. »Ich kann euch nicht weiterhelfen. Aber vielleicht kann ich euch die Stadt zeigen. Es wird zwar nicht gerne gesehen, wenn wir mit den Mädchen Kontakt haben, aber bei euch kann ich vielleicht eine Ausnahme machen«, sagte Radu. »Wie wäre es mit Samstag?«
KAPITEL 33
Amsterdam, Niederlande
Mittwoch, 3. Juli 2013, 16.32 Uhr (zur gleichen Zeit)
»Was wurde eigentlich aus Vanderlist?«, fragte Will Thater.
Solveigh musste wieder an das Schwitzen des Pflegers und seine ungeschickten Bewegungen beim Aufschütteln des Kissens denken.
»Er wurde von der Frankfurter Polizei verhaftet«, sagte Eddy. »Sein Anwalt versucht, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einzufädeln.«
»Eine Strafminderung kann er sich abschminken!« Will Thater starrte auf die Tür.
Und der Pfleger hatte kein Wort gesagt, keine einzige Frage nach dem Befinden gestellt oder ob sein Patient noch etwas bräuchte. Kein einziges Wort? Solveigh griff nach der Thermoskanne und schraubte den Deckel auf. Sie roch an der dampfenden Flüssigkeit. Eine Kräutermischung mit Fenchel. Und etwas anderes. Solveigh sprang auf. Will Thater und Eddy starrten Sie an.
»Was ist los, Slang?«, fragte Will.
»Trink nichts mehr davon!«, rief sie und rannte aus dem Zimmer. Als sie auf den Gang stürmte, griff der Wachmann vor der Tür nach seiner Waffe. Solveigh hatte ihre abgeben müssen. Sie kam sich ohne die Jericho nackt vor.
»Wo ist er hin?«, fragte Solveigh.
»Wer?«, fragte die Wache.
»Der Pfleger!«, rief Solveigh. Wie begriffsstutzig kann man sein?
»Da runter«, sagte die Wache und zeigte einen langen Gang hinunter, der zu den Zimmern der anderen ECSB-Mitarbeiter führte, die hier auf der Station isoliert lagen.
»Komm mit!«, forderte Solveigh und rannte los. Im Laufschritt stemmte sie die Flügeltüren auf. Ihre Schritte knallten auf dem Kunststoffboden. Bis zur nächsten Abzweigung. Rechts oder links? Es hatte keinen Zweck. Solveigh blieb stehen, ihr Herz pumpte, getrieben vom Adrenalin, Sauerstoff in ihre Muskeln. Sinnlos.
»Riegelt das Gebäude ab und sucht ihn!«, befahl sie, ohne zu wissen, ob ihre Entscheidungen noch irgendeine Relevanz für die Kollegen hatten. ELMSFEUER sei Dank traute niemand mehr niemandem. Aber sie mussten ihn finden. Wenn er bis zu Will Thater vordringen konnte, war keiner der ECSB-Mitarbeiter hier im Krankenhaus in Sicherheit. Sie befahl es sich und den anderen wider besseres Wissen, denn im Grunde wusste sie bereits, dass es aussichtslos war. Zu viele Gänge, zu viele Verstecke. Sobald er den öffentlichen Teil des Krankenhauses erreicht hatte, könnten sie ebenso gut in ganz Amsterdam nach ihm suchen.
»Das ist ein verdammter Albtraum«,
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