Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
irgendwo im Schwäbischen oder in Franken. Möglicherweise lag es in der Zuständigkeit des Bayerischen Landeskriminalamts, möglicherweise auch nicht, eigentlich auch egal.
»Sie meinen, sie wurde konserviert?«, vermutete Paul.
»Mindestens«, sagte der Polizeihauptmeister. »Sie sieht aus wie aus Plastik. Aber sie ist definitiv menschlich, sagt das Labor. Wurde bei einem Aushub von einem Bagger ausgebuddelt.«
»Und natürlich wissen Sie nicht, wem die Hand gehört«, sagte Paul.
»Doch«, sagte der Tauscheck. »Warten sie mal kurz.«
Paul hörte, wie der Polizeihauptmeister Papier umblätterte. »Sie gehörte einem gewissen Altheimer, Enoch.«
Paul lief im Kreis über den Parkplatz hinter der Löwengrube.
»Der Mann war aber nicht zufällig Landwirt, oder?«, fragte Paul Regen. Möglicherweise… Er traute sich kaum, den Wunsch nach einem Muster laut zu denken.
»Nein«, sagte Tauscheck. »Er war Pfarrer. In der Nähe von Stuttgart.«
»Ich flippe aus«, sagte Paul Regen und kickte einen Kieselstein gegen einen Container der Dombaustelle.
»Sie tun was?«
»Nichts. Ich tue nichts«, sagte Paul Regen. Er dachte an seinen Termin mit dem Profiler und daran, wie lang eine Zugfahrt ins Schwäbische dauerte.
»Kann ich mir die Hand ansehen?«, fragte Paul.
»Ich schätze schon«, sagte Polizeihauptmeister Tauscheck. »Wenn Sie zuständig sind…«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein«, sagte Paul Regen. »Frau Auch wird sich bei Ihnen melden wegen eines Termins.«
Ein erneuter Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es fünf nach zwölf war. So ein echter Fall brachte eine ganze Menge Termine mit sich, dachte Paul Regen. Langsam wusste er nicht mehr, wie er das alles mit seinem regulären Job unter einen Hut bringen sollte. Es wäre möglich, dass Adelheid Auch bald Mordgedanken gegen ihn hegte.
»Können Sie den Namen buchstabieren?«, fragte Tauscheck, dessen Vornamen er immer noch nicht kannte. Bei der bayerischen Polizei duzte sich jeder, außer ihm und Frau Auch, aber das hatte andere Gründe. Vermutlich waren die Schwaben einfach höflicher.
»Auch wie ebenso«, sagte Paul Regen, bedankte sich für seine Mühe und legte auf. Jetzt also auch noch ein Priester. Ihm blieb wirklich nichts erspart.
KAPITEL 55
San Luca, Kalabrien
Sonntag, 21. Juli 2013, 17.24 Uhr (zwei Tage später)
Commissario Ugo Bonardi setzte sie etwa fünf Kilometer von der Villa entfernt am Fuß eines Bergmassivs ab. Im Staub des davonbrausenden Fiats schulterte Solveigh den Rucksack und verschwand in den Büschen. Sie trug eine olivgrüne Hose und ein passendes Tanktop, den Kompromiss zwischen der Tarnung als Touristin und der Camouflage, die im Laufe ihrer Mission lebensnotwendig werden würde. Sie stieg abseits der Wege die von Erdbeben verworfenen Hänge hinauf, einen Tritt vor den anderen setzend. Selbst die milde Abendsonne trieb ihr den Schweiß aus den Poren, und sie musste alle zehn Minuten pausieren, um Wasser zu trinken und ihre Position auf dem GPS-Gerät zu überprüfen. Die ’Ndrangheta hatte ihr Rückzugsgebiet weise ausgewählt, keine Armee der Welt hätte sich eine bessere Basis wünschen können. Die Gegend um San Luca war verlassen genug, um jeden Fremden, jedes unbekannte Auto wie eine Fliege auf der Sahnetorte hervorstechen zu lassen. Es gab wenige Straßen, und alle Anwohner waren Teil des Systems und damit ein Frühwarnsystem für ungebetene Gäste. Fedeltà. Treue bis in den Tod. Solveigh war auf sich selbst gestellt. Und sie war sich darüber im Klaren, dass sie mit ihrer Jericho, die zudem in diesem Moment noch samt Schulterholster im Rucksack verstaut war, gegen eine schwer bewaffnete Söldnertruppe der Mafia nichts würde ausrichten können.
Solveigh erreichte den Fuß des Plateaus, auf dem die Villa der Taccolas thronte, um 19.46 Uhr. Sie hatte einen Umweg in Kauf nehmen müssen, um einer Familie auszuweichen, die auf ihrer geplanten Route campierte. Aber ihr blieb noch genug Zeit. Unter ihr schlängelte sich die Zufahrt zum Anwesen den Berg entlang. Solveigh suchte sich eine möglichst bequeme Nische in dem Fels und begann, Zweige von den umstehenden Sträuchern in ihren Rucksack und ihre Kleidung zu stecken. Eine einfache, aber effektive Methode, um Umrisse unkenntlich zu machen, zumal schon bald die Dämmerung einsetzen würde. Schließlich verkroch sie sich in die Felsspalte und holte ihren Laptop, die drei Akkupacks und die leistungsverstärkte Mobilfunkantenne heraus. Eddy hatte ihr erklärt,
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