Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
Deutschland
Mittwoch, 24. Juli 2013, 16.14 Uhr (am selben Tag)
»Der Polizeidirektor Wochinger lässt fragen, ob Sie etwas Neues für ihn haben, Herr Regen.«
Paul Regen saß an seinem Schreibtisch und starrte seit zwei Stunden auf die Bilder der Opfer, die er nebeneinander auf seinem Schreibtisch ausgelegt hatte.
»Liebe Frau Auch«, sagte Paul Regen, »wenn ich etwas Neues hätte, glauben Sie mir, Sie wüssten als Erste davon.«
»Ich weiß«, sagte Adelheid Auch.
»Es geht langsam nicht mehr, oder?«, fragte Paul Regen.
Das Auswärtige Amt schüttelte den Kopf: »Nein, Herr Regen, es geht nicht mehr.«
»Sind wir am Ende?«
Adelheid Auch setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs. Sie sah hinreißend aus mit ihrer Lesebrille und ihrem völlig aus der Mode gekommenen Bleistiftrock und der weißen Bluse.
»Sie arbeiten jetzt seit Wochen Doppelschichten. Und ich …«, sagte sie schließlich.
Paul Regen seufzte: »Haben Sie darüber nachgedacht, was ich Ihnen als Wochenendaufgabe mitgegeben hatte?«
Adelheid Auch schob ihre Lesebrille in die Haare und schaute sehr ernst: »Natürlich. Aber ich komme beim besten Willen nicht drauf, was eine attraktive junge Frau mit zwei Landwirten und ein Priester gemeinsam haben sollen.«
»Sehen Sie, Frau Auch, ich auch nicht.«
Niemand lachte über das Wortspiel, das hatten sie sich längst abgewöhnt. Sogar bevor sich Paul Regen abgewöhnt hatte, das doppelte »auch« weitestgehend zu vermeiden.
»Reicht denn nicht, was Sie schon herausgefunden haben? Was hat denn der Profiler dazu gesagt?«
Paul Regen starrte auf die Bilder vor seiner Nase. Er kam so nicht weiter, er brauchte einen Tapetenwechsel. Und wenn Adelheid Auch sagte, dass er im Begriff war, den Bogen zu überspannen, dann konnte er sich darauf verlassen, dass das stimmte.
»Gehen wir spazieren«, sagte Paul Regen.
»Jetzt?«, fragte Adelheid Auch. »Es ist nicht einmal halb fünf.«
»Ich gebe uns den Rest des Nachmittags frei«, versprach Paul Regen. »Nicht, dass es bei unseren Überstundenkonten eine Rolle spielen würde.«
Adelheid Auch steckte die Dienstwaffe in ihre rote Handtasche, die sie wie immer passend zu ihren Schuhen ausgewählt hatte.
»Passen Sie auf, dass niemand zu Schaden kommt, Frau Auch«, sagte Paul, als sie das Auswärtige Amt abschloss.
»Passen Sie lieber auf, dass Sie nicht erschossen werden, Herr Regen. Tragen Sie Ihre immer noch nicht? Sie wissen, dass das gegen die Vorschrift ist, oder?«
Als ob Paul Regen Vorschriften jemals interessiert hätten. Er hatte noch nie im Dienst eine Waffe abgefeuert und hatte nicht vor, das zu ändern. Schließlich waren sie nicht mehr bei der Sitte, wo das Herumfuchteln mit einer geladenen Pistole einen Sinn ergeben konnte.
»Wohin wollen wir?«, fragte Paul Regen, als sie auf dem Hof vor der grünen Villa standen. Die Sonne spiegelte sich in den Fenstern des Hauptgebäudes und strahlte ihnen ins Gesicht.
»Sie wollten doch spazieren gehen«, sagte Adelheid Auch und holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche.
»Schon richtig«, sagte Paul Regen. »Aber so funktioniert das nicht. Es ist egal, wo wir hingehen. Entweder, die Assoziationskette kommt, oder sie kommt eben nicht. Sie kommt überall oder niemals, das Wo ist nicht wichtig.«
»Ich war lange nicht an der Isar«, sagte Adelheid Auch.
Als sie an der U-Bahn-Station Fraunhoferstraße mit der Rolltreppe zurück in die Sonne fuhren, stellte Adelheid Auch fest, dass die Fenster der Schoppenstube verrammelt waren. Offenbar war noch eine Münchner Institution der Geldgier der Immobilienhaie zum Opfer gefallen.
»Ein Skandal«, stimmte Paul Regen zu.
»Da rackert man vierzig Jahre hinter dem Tresen, ist Nacht für Nacht für alle da, ob Jung, ob Alt, ob Reich, ob Arm, und dann kommt ein Investor und macht Platz für eine amerikanische Kaffeehauskette oder ein Modegeschäft«, echauffierte sich Frau Auch.
»Die Welt ist nicht gerecht, Frau Auch«, sagte Paul Regen. Und mein Viertel wird nie mehr das sein, was es einmal war, dachte er.
»Was hat er denn nun gesagt, der Profiler?«, fragte Adelheid Auch, als sie am Isarufer Richtung Norden liefen.
Paul Regen warf einem laut klingelnden Fahrradfahrer einen bösen Blick zu. »Er hat zugegeben, dass es gut möglich ist, dass den Täter das Tattoo gestört hat und dass er Ene Akiode deshalb in der Baustellentoilette abgelegt hat.«
»Das ist doch schon mal eine gute Nachricht«, sagte Adelheid Auch.
»Finden Sie?«, fragte Paul
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