Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
(passte nicht zum Konservieren), und die Frage, ob jeweils nur ein Körperteil der Opfer für den Täter eine Rolle spielte und er sich eine Art Frankenstein zusammenbastelte (es erschien ihnen dann doch etwas zu ausgefallen, einem Landwirt mit über einem Meter neunzig das Bein einer Vierundzwanzigjährigen anzunähen).
Als sie durch die Frühlingsanlagen liefen, versuchte Paul Regen, ihre Diskussion wieder auf die Verbindung zwischen den Opfern zu steuern: »Mal andersherum gedacht: Warum eigentlich zwei Landwirte? Warum überhaupt Landwirte? Und warum ein Priester?«
Sie liefen an einigen Kindern vorbei, die einem Ball hinterherrannten, auf dem Basketballfeld wurden Körbe zu amerikanischem Westküsten-Rap geworfen.
»Vielleicht spielt er ein Spiel?«, vermutete Adelheid Auch.
Paul folgte der Flugbahn des Balls, aber der Wurf landete an der Außenseite des Korbs. Ein Spiel? Was sollte das für ein Spiel sein? Langsam gingen sie die leichte Anhöhe zur Reichenbachbrücke hinauf. Zu ihrer Linken standen die Alten um ein großes Schachbrett, rauchten Zigarillos und tranken Bier. Ein Mann mit einer Baskenmütze zog mit einem Bauern. Paul blieb stehen. Zwei Landwirte. Zwei Bauern. Und eine junge Frau, die einmal einen Schönheitswettbewerb gewonnen hatte. Eine Schönheitskönigin. Die Dame des Königs. Königin, Bauer, Springer, Turm, Läufer. Wenn es stimmte, musste es unter den Opfern Springer und Läufer geben. Paul Regens Erinnerung zufolge war das nicht der Fall. Aber was, wenn etwas nicht ganz so Augenfälliges dahintersteckte? Konnte das noch ein Zufall sein? Natürlich konnte es das. Bis sie nicht alle Körperteile in ein Muster eingeordnet hatten, war ihre Theorie nichts wert. Der Mann mit der Baskenmütze rief etwas quer über das Brett in einer Sprache, die Paul nicht verstand. Dann trank er einen Schluck Bier aus einer Flasche, und von einer Bank gegenüber prostete ihm jemand zu. Eine fremde Sprache? Ein anderer Kulturkreis? Paul Regen kramte im hintersten Winkel seines Gedächtnisses und glaubte, sich zu erinnern, dass der Läufer auf Englisch »Bishop« hieß. Bischof. Ein Priester. Und der Springer? Konnte es sein, dass einige der Opfer geritten waren? War es möglich? Nein, das war es ganz sicher nicht. Oder? Paul Regen spürte ein Kribbeln in den Händen.
»Was ist los?«, fragte Adelheid Auch.
»Ich muss noch mal ins Büro«, sagte Paul Regen.
»Was ist passiert?«
»Das erkläre ich Ihnen unterwegs«, sagte Paul Regen und zog Adelheid Auch am Arm.
KAPITEL 62
Zollfahndungsamt Essen, Deutschland
Donnerstag, 25. Juli 2013, 22.14 Uhr (am nächsten Tag)
Die Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe hatte sich in der Weiglestraße verabredet. Das Zollfahndungsamt Essen lag mitten im Ruhrgebiet, dem Zentrum der Aktivitäten der Taccola-Familie in Deutschland. Über einhundert Beamte füllten den größten Raum des Hauses, die Kantine, die nach dem Mittagessen geschlossen worden war. Solveigh stand ganz hinten an der Wand und beobachtete die Dienstbeflissenheit und Akribie, für die Deutschland in ganz Europa ebenso belächelt wie bewundert wurde. Will Thater hatte darauf gedrängt, dass der deutsche Zoll den Einsatz koordinierte, an dem neun europäische Staaten beteiligt waren. Es war die größte konzertierte Polizeiaktion, die es in der EU jemals gegeben hatte, und was die Steuern anging, galt Deutschland selbst in Brüssel als vorbildlich. Ausgerechnet die Steuerfahndung war der zweite und entscheidende Teil in Solveighs und Eddys Plan zur Zerschlagung des Taccola-Imperiums. Die Finanzströme der letzten Tage, die hektisch ausgeführten Überweisungen auf Konten vermeintlich stabiler Staaten, hatten geschafft, wofür Ermittler Jahre gebraucht hätten: Sie kannten jetzt die Firmenstruktur ihres Gegners. Sie wussten, wo das Schwarzgeld gewaschen wurde und über welche Kanäle es in den regulären Wirtschaftskreislauf zurückfloss. Hinter den Steuerbeamten und den Experten bei BKA und Zoll lagen vier lange Tage und noch längere Nächte. Morgen früh würden sie gleichzeitig in so vielen Betrieben wie möglich zuschlagen. Und Solveigh würde zusehen, wie der Drahtzieher des Attentats auf die ECSB verhaftet wurde. Sie würde es genießen, dachte sie, als der Leiter der Finanzermittlungsgruppe den beteiligten Beamten das Vorgehen erklärte. Die Zollfahnder hatten für die Firmen und die anderen Mietobjekte der Taccolas drei Prioritäten vergeben, die sich auf der Karte rund um die Stadt Dortmund
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