Arkadien 02 - Arkadien brennt
Laptops hing noch immer sein Lächeln, so diffus wie eine halb vergessene Erinnerung. Hatte sie ihn an jenem Abend gesehen? Valerie hatte die Angewohnheit, auf jeden, den sie scharf fand, mit dem Finger zu zeigen. Hattesie Rosa damals auf ihn aufmerksam gemacht? Und, wichtiger noch, hatte er Rosa gesehen und ihr später nicht gesagt, dass er sie wiedererkannt hatte? Warum hätte er ihr das verschweigen sollen?
Aber er war schon einmal nicht aufrichtig gewesen, damals, als er sie mit zur Isola Luna genommen hatte, um sich durch ihre Anwesenheit vor Tanos Mordplänen zu schützen. Da waren sie noch nicht zusammen gewesen. Machte das einen Unterschied?
Sie beschloss, eine Mail an Trevini zu schreiben.
Sie sind gefeuert , tippte sie. Verpissen Sie sich aus meinem Leben.
Das löschte sie wieder und schrieb stattdessen: Sie hören von meinen Auftragskillern. Scheißanwalt. Scheißkrüppel. Ich hoffe, Sie übersehen eine Scheißtreppe in Ihrem Scheißhotel.
Das war fast schon Poesie.
Nach kurzer Überlegung überschrieb sie den Text: Sehr geehrter Signore Trevini, ich bin derzeit nicht zu Hause. In den nächsten Tagen melde ich mich zwecks Terminabsprache. Woher haben Sie dieses Video? Und was ist das für anderes Material, das Sie erwähnen? Hochachtungsvoll Rosa Alcantara.
PS: ICH HOFFE, SIE ERSTICKEN AN IHREN SCHEISSROLLSTUHLKRÜPPELANWALTSLÜGEN!
Sie starrte das Postskriptum an, dann löschte sie es Buchstabe für Buchstabe, sehr langsam. Schließlich klickte sie auf Senden und klappte den Laptop zu.
Im selben Moment klingelte ihr Handy. Sie sah Alessandros Namen auf dem Display, wartete einen Moment, dann ging sie dran.
»Hey, ich bin’s.«
»Hi.«
»Was machst du da mit diesem Panther?«
Irritiert blickte sie sich um, dann fiel ihr die Mailbox ein. Herzlichen Glückwunsch.
»Wo hast du gesteckt?«, fragte sie.
Er zögerte kurz. »Besprechungen?« Es klang wie eine Frage, als konnte er nicht glauben, dass sie das vergessen hatte. »Schön, deine Stimme zu hören.«
Sie hasste sich ein wenig dafür, dass sie sich nicht besser verstellen konnte. Dass sie es nicht fertigbrachte, wenigstens für ein, zwei Minuten so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Stattdessen sagte sie: »Du bist da gewesen.«
Wieder eine Pause. »Was meinst du?«
»Die Party. Damals, im Village. Du warst dort.«
»Sag mal, wovon redest du?«
Sie dachte erleichtert: Gut. Also doch ein Trick. Alles eine Lüge. Er hatte keine Ahnung, was sie überhaupt von ihm wollte.
Nur dass sie das nicht sagte. »Ich hab dich gesehen. Du bist auf einem Video. Du bist auf derselben Party gewesen wie ich, am selben beschissenen Abend.«
Seine Reaktion war sehr sachlich: »Wann genau war das?«
»31. Oktober. Halloweenparty ohne Kostüme. Wer trotzdem mit einem hingekommen ist, musste sich bis auf die Unterwäsche ausziehen und einmal durch die Wohnung laufen.«
Sie hörte, wie er scharf durchatmete. » Das war die Party? Wo sie … Das ist dort gewesen?«
Und wenn er jetzt gelogen hätte, um ihr nicht wehzutun? Wäre ihr das lieber gewesen? Sie wollte die Wahrheit wissen, egal wie verwirrend oder schlimm sie war.
»Ja«, sagte sie dumpf.
»Das hab ich nicht gewusst. Du hast das nie erwähnt.«
»Hast du mich dort gesehen?«
»Nein.« Er klang nun beinahe verstört, und das kannte sie nicht von ihm. Es gefiel ihr nicht, und es brachte sie nur noch mehr durcheinander. »Nein«, wiederholte er entschiedener, »natürlich nicht.«
»Bist du sicher?«
»Scheiße, Rosa … Ich hatte keine Ahnung! Da waren so viele Menschen, und wir waren damals oft auf irgendwelchen Partys. Die anderen und ich, wir sind vom Internat aus in die Stadt gefahren. Auch ins Village. Irgendwer kannte immer irgendwen, und irgendwo war immer was los.«
Das klang plausibel. Es gab überhaupt keinen Grund, ihm zu misstrauen. Und sie liebte ihn doch.
Nur war da ein Unterton, ein leichtes Zögern, das sie stutzig machte. Irgendwer kannte immer irgendwen.
»Hast du sie gekannt?«, fragte sie leise. »Die, die das getan haben?«
Und nun begriff er. »Du glaubst, ich hätte es gewusst und nichts gesagt? Die ganze Zeit über nichts gesagt?«
»Ich weiß nicht, was ich glaube.« Sie spürte ihre Finger am Handy nicht mehr. Die Sonne schien über dem Central Park, aber ein frostiger Wind jagte den East Drive herunter, wirbelte Eiskristalle auf und fuhr unter ihre Kleidung. »Ich weiß gar nichts mehr.«
»Du kannst doch nicht wirklich annehmen, dass ich so jemanden decken
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