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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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In diesem Palazzo hatten schon früher streitbare Weibsbilder gelebt.
    Rosa war es leid, sich zu verbergen. Entschlossen trat sie mitten auf den Korridor und ging auf den offenen Rundbogen des Arbeitszimmers zu.
    Sie sah den Schreibtisch vor der Glastür zum Balkon über dem Innenhof. Sah die hohe Lehne des Stuhls – er war leer. Sah sich selbst als vage Spiegelung im Fensterglas, ein Schemen, der aus der Düsternis des Korridors tauchte, der Geist ihrer kämpferischen Ahninnen oder doch nur ein Mädchen, das gekommen war, um mit der Vergangenheit abzuschließen.
    Der Raum öffnete sich vor ihr zu voller Weite, ein ehemaliger Salon, groß genug für einen Ball. Zwischen Eingang und Schreibtisch lagen zehn Meter gebohnertes Parkett. Die Deckenbeleuchtung war nicht eingeschaltet, wohl aber mehrere Tischlampen an den Seitenwänden.
    »Rosa!«
    Iole trug nur ein weißes Sleepshirt, das bis zu ihren Knien reichte. Sie saß mit gefesselten Händen auf einer Ledercouch an der Westwand. Sie wollte aufspringen, aber eine schmale Hand packte ihren Arm und zog sie zurück auf das Polster. Valerie hielt eine silberne Pistole in der Hand und presste die Mündung an Ioles Schläfe.
    Rosas Mundwinkel zuckten. Fast ein Lächeln.
    »Dein Hardcore ist mein Mainstream«, sagte sie leise – der Spruch auf dem T-Shirt, das Valerie bei ihrer ersten Begegnung in Brooklyn getragen hatte. Sie wusste nicht, warum sie sich gerade jetzt daran erinnerte. Oder warum sie mit einem Mal lachte, laut und verletzend. Die Worte standen in einem so absurden Gegensatz zu dem ausgezehrten, drogensüchtigen Mädchen mit der Waffe, dass sie nicht anders konnte. Sie lachte über Valeries Verrat, ihr Leid, ihre naive, besessene, fatale Liebe zu Michele Carnevare. Sie lachte, bis ein ersticktes Husten daraus wurde und der Blick aus Ioles aufgerissenen Augen mehr Sorge um sie als um ihr eigenes Schicksal verriet.
    »Fertig?«, fragte Valerie. »Dann geh zum Tisch und nimm das, was dort liegt. Benutz es.«
    Rosas Blick folgte ihrem Wink. Unter der Schreibtischlampe lag eine aufgezogene Spritze. Der Inhalt schimmerte gelblich im scharf umrissenen Lichtkreis.
    Rosa rührte sich nicht von der Stelle. Stand mitten im Raum, hinter ihr der Rundbogen, vor ihr der riesige Eichenschreibtisch und zu ihrer Rechten, fünf Meter entfernt, die Couch mit den beiden Mädchen.
    »Die Hundinga sind im Haus«, sagte sie, nicht sicher, ob Valerie überhaupt wusste, was sich hinter diesem Wort verbarg.
    Aber Val war jetzt Micheles Vertraute. »Sie wollen dich«, sagte sie. »Dich und deinen Freund. Sie sind nicht meinetwegen hier oder wegen Michele.«
    »Sagt er das? Dass sie dir nichts tun werden, wenn sie hier auftauchen? Dass sie überhaupt nicht wütend sein werden, weil ein paar von ihnen draußen am Pool liegen, und zwar nicht zum Sonnenbaden?«
    Valerie schüttelte langsam den Kopf. »Ich bin die SuicideQueen, Rosa. Ich hab keine Angst.« Die Ernsthaftigkeit, mit der sie das sagte, war erschütternd. Beinahe mitleiderregend. Beinahe.
    »Du brauchst nicht mit diesem Ding auf Iole zu zielen«, sagte Rosa. »Sie hat dir nichts getan.«
    »Ich hatte auch deinem Freund Trevini nichts getan , und trotzdem war er nicht besonders freundlich zu mir.«
    »Ich war eben bei ihm. Er wird keinem mehr ein Haar krümmen.«
    »Und wie lange hast du gebraucht, um zu entscheiden, dass er mich gehen lassen soll? Zwei Tage? Drei? Warum nicht sofort, Rosa?« Vals Tonfall wurde schärfer. »Was war so schwer daran, ihm zu befehlen, mich laufenzulassen?«
    Rosa hielt ihrem Blick stand, bewegte sich aber nicht von der Stelle. »Weil du es verdient hast, Val. Jede verdammte Minute in Trevinis Folterkeller. Weil du mich nicht nur ein Mal verraten hast, in New York, sondern jetzt schon wieder. Was erwartest du? Dass alles besser wird, wenn du Iole erschießt? Dass es dir dann besser geht?«
    »Mir geht es bestens. Michele ist hier. Alles wird gut.«
    »Du hast sie ja nicht mehr alle.«
    Valeries Augen blitzten. Die Pistole blieb an Ioles Kopf. »Wir wissen so viel voneinander, Rosa. Eine ganze Menge kleiner peinlicher Geheimnisse. Zeug, das man sich betrunken nachts im Club erzählt oder draußen in der Warteschlange. Wir waren mal gute Freundinnen.«
    »Wir waren nie echte Freundinnen«, widersprach Rosa. »Du hast keine Freundin gesucht, sondern jemanden, der zu dir aufsieht. Dich bewundert.«
    »Und – hast du mich vielleicht nicht bewundert?« Valerie lachte leise, ohne jeden Humor. »Warum

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