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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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staubig.
    Durch eine schmale Tür hinter einem Vorhang betrat sie einen Flur im oberen Stockwerk. Niemand war zu sehen. Außer den schwefeligen Nachtleuchten brannte kein Licht. Zum ersten Mal meinte sie Stimmen zu hören, aber als sie den Atem anhielt, vernahm sie nichts als Schweigen.
    Auf nackten Sohlen huschte sie hinter dem Vorhang hervor und wandte sich nach rechts. Das Arbeitszimmer befand sich im Nordflügel, dem Innenhof zugewandt. Vielleicht hätte sie den Umweg über die Küche nehmen sollen, um sich mit einem Messer zu bewaffnen. Aber spätestens bei ihrer nächsten Verwandlung würde sie es ohnehin verlieren.
    Angespannt näherte sie sich einer Biegung, als sie plötzlich Geräusche bemerkte. Weiche Pfoten auf blankem Stein.
    Alessandro? Michele?
    Oder ein Hunding?
    Mit kurzen, lautlosen Schritten rannte sie zurück hinter den Vorhang und presste sich mit dem Rücken an die geschlossene Tür zum Treppenhaus. Der weinrote Samt vibrierte vor ihrem Gesicht, keine Handbreit entfernt.
    Durch einen Spalt an der Seite konnte sie den Gang hinuntersehen. Ein Schatten schob sich um die Ecke.
    Rosa kämpfte die Kälte nieder. Wenn sie jetzt zur Schlange wurde, würden die Laute sie verraten.
    Eine Raubkatze tastete sich langsam näher. Der lange Schwanz pendelte langsam von einer Seite zur anderen. Die Schulterblätter stachen hervor, weil sie den Schädel niedrig am Boden hielt, gebeugt und in Lauerstellung. Helle Augen glühten silbrig im Halbdunkel der Nachtbeleuchtung. Die langen Schnurrhaare und Brauen waren weiß, der muskulöse Körper mit gelblichem Fell bedeckt, gesprenkelt mit dunkelbraunen Flecken. Jede der vier Pranken war so groß wie Rosas Gesicht.
    Der Leopard blieb stehen und spähte den Gang hinab. Dann setzte er sich wieder in Bewegung.
    Rosa stand so dicht wie möglich an die Wand gepresst. Nur ja keinen Laut. Und nicht den Vorhang berühren!
    Die Schlange rumorte in ihr, während der Leopard auf dem Korridor näher kam. Gleich würde sie ihn nicht mehr sehen, dann wäre der schwere Samt im Weg. Aber sie konnte ihn hören, seine Pfoten auf den Fliesen, das Scharren seiner Krallen.
    Draußen auf der Terrasse hatte sie einen Hunding getötet, einen zentnerschweren, grobmotorischen Koloss. Ein Panthera aber war etwas anderes. Und Michele mochte selbst unter seinesgleichen eine Ausnahme sein. Sie hatte ihn jagen gesehen, von den anderen als Führer der Meute akzeptiert, weil er stärker, schneller und rücksichtsloser war als sie.
    Sie spürte, wie sich ihre Haut spannte, schlagartig trocken wurde, in winzigen Schuppen von ihrer Stirn auf die Wangen rieselte. Ihr Haar verschmolz zu Strängen. Ihre Knie versteiften sich, die Ellbogen schmerzten. Ein furchtbarer Juckreiz wanderte in Schüben über ihren Körper.
    Nicht jetzt!
    Etwas stieß von außen ganz zart gegen den Vorhang. Tippte dagegen, zog sich wieder zurück. Die Berührung wiederholte sich ein Stück weiter links. Der pendelnde Leopardenschwanz. Seine Spitze streifte den Stoff, während sich das Tier an ihrem Versteck vorüberbewegte.
    Das T-Shirt wurde ihr zu groß, sie hatte das Gefühl, als rutschte sie einfach hindurch wie der Held in The Incredible Shrinking Man . Sie war die schrumpfende Frau, das Schlangenmädchen und in ein paar Sekunden Katzenfutter.
    Irgendwo im Haus zerbrach Glas.
    Fernes Hundingaheulen ertönte, hallte lang gezogen durch Gänge und Treppenhausschächte.
    Der Leopard stieß ein Fauchen aus. Plötzlich hörte sie seine Pfoten mehrfach auf den Steinboden schlagen, er verfiel aus dem Stand in schnellen Lauf. Dann war Stille.
    Rosa rutschte mit dem Rücken an der Tür hinab in die Hocke. Ihre Knie stießen den Vorhang nach außen, sie konntenichts dagegen tun. Ihr Kreislauf sackte zusammen, einen Moment lang wusste sie nicht mehr, ob sie Mensch oder Schlange war. Der schwere Vorhang erdrückte sie, nahm ihr die Luft. Energisch schob sie ihn beiseite und blickte hinaus auf den Korridor.
    Der Leopard war verschwunden. Nach links davongerannt, glaubte sie. Das Arbeitszimmer lag in der entgegengesetzten Richtung.
    Mühsam stand sie auf und lief los.

Suicide Queens
    D er Korridor zum Arbeitszimmer dehnte sich vor ihr wie das Innere einer Ziehharmonika, länger und länger, eine optische Täuschung. Alles nur in ihrem Kopf. Im verdrehten, verwirrten Rosahirn.
    Bilder in schweren Rahmen mit abgeblätterter Goldfarbe hingen an den Wänden. Tische und Stehlampen standen Spalier, selbst eine Rüstung, zu klein für einen Mann.

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