Arkadien 02 - Arkadien brennt
dabei, dass er tot ist?« Sie versuchte, das leichte Beben in Valeries Zügen zu lesen, und setzte hinzu: »Und dass es Michele war, der ihn ermordet hat?«
»Das ist eine Lüge!«, platzte Val heraus. »Michele hat ihm kein Haar gekrümmt. Mattia ist tot, weil Alessandro ihn hat umbringen lassen. So wie alle anderen!«
»Michele lügt, wenn er den Mund aufmacht.«
Ein Raubkatzenbrüllen ertönte, nicht weit entfernt.
Valerie lächelte böse. »Sag ihm das ins Gesicht.«
Iole schob sich auf dem Sofa hin und her. »Mein Rücken juckt.«
Das Brüllen wiederholte sich.
Die Beule unter Rosas Hand wurde flacher. Das Serum verteilte sich schneller, als sie erwartet hatte.
Und noch ein Fauchen. Aber jetzt klang es anders. Als wärees nicht von derselben Raubkatze ausgestoßen worden, sondern von einer zweiten.
Im selben Moment heulten mehrere Hundinga auf.
Valerie sprang voller Sorge auf und zog Iole auf die Beine.
Ein dumpfes Bersten und Krachen ertönte. Brechendes Holz, sehr weit entfernt. Vielleicht eine Tür, die mit Gewalt geöffnet wurde. Tief im Haus, wahrscheinlich im Erdgeschoss, zwei Etagen unter ihnen.
»Riecht ihr das?« Ioles Stimme ging fast unter im Lärm des anschwellenden Tiergebrülls. »Irgendwas brennt.«
Rosa vergaß für einen Augenblick Valerie und die Pistole. »Sie wollen uns ausräuchern. Sie haben Feuer gelegt.«
Auf Valeries Gesicht legte sich Genugtuung. »Scheint so, als würde dein Märchenschloss in Flammen aufgehen. Schade drum.«
Rosa hätte ihr sagen können, wie gleichgültig ihr das war. Dass sie selbst schon mit dem Gedanken gespielt hatte, das Gemäuer niederzubrennen. Und dass sie genug Geld besaß, um sich ein neues Anwesen anderswo zu kaufen; ganz abgesehen von all den Immobilien, die sich ohnehin im Besitz der Alcantaras befanden.
Aber zugleich bemerkte sie, dass ihr das Schicksal des Hauses eben doch nicht gänzlich egal war. Dass diese Mauern unabänderlich ein Teil des Erbes waren, das sie angenommen hatte. Sie hing an diesem kalten, dunklen, feuchten Palazzo, das wurde ihr auf einen Schlag klar, und sie fragte sich, wie es dazu gekommen war. War sie doch mehr zu einer Alcantara geworden, als sie wahrhaben wollte?
Sie haben so viel von Ihrer Großmutter an sich , hatte Trevini gesagt. Sie sehen mich an, aber aus Ihren Augen blickt Costanza.
»Bleib, wo du bist!«
Valeries Stimme ließ sie herumwirbeln. Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte Rosa mehrere Schritte in Richtung desBalkons gemacht. Sie musste sich einen Überblick darüber verschaffen, wo genau das Gebäude brannte.
»Du schießt nicht«, brachte sie wutentbrannt hervor.
Iole neigte besorgt den Kopf. »Vielleicht tut sie’s doch.«
»Ganz sicher sogar«, sagte Valerie.
Rosas Hand lag noch immer auf dem Einstich. Die Wölbung unter der Haut war nahezu verschwunden. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, so wie vorhin. Aber jetzt war das Serum in ihrem Blut. Sie hatte ihre Chance verpasst.
Aus dem Stand rannte sie los – auf Valerie zu.
Die riss die Pistole von ihrer Geisel fort, schwenkte sie in Rosas Richtung und drückte ab. Ob versehentlich oder geplant – die Kugel schlug unmittelbar vor Rosa in den Boden und riss das Parkett auf.
»Wag das ja nicht!«, brüllte Valerie.
Rosa blieb stehen.
»Mach noch einen einzigen Schritt, und ihr seid beide tot.« Zwischen ihnen lagen etwa vier Meter. Nicht viel. Aber doch genug für Valerie, um erneut abzudrücken.
»Michele wird nicht mehr kommen«, sagte Rosa beschwörend. »Er und Alessandro … sie kämpfen miteinander. Verdammt, Val, du hörst es doch auch!«
»Verzweiflung steht dir nicht.«
»Bist du wirklich so dämlich? Er hat dich ausgenutzt! Und jetzt hat er bekommen, was er wollte. Er und Alessandro sind sich irgendwo im Haus begegnet. Und die Hundinga zünden uns die ganze Hütte unter den Füßen an. Willst du warten, bis wir hier nicht mehr rauskommen? Hasst du mich wirklich so sehr, dass du lieber mit mir verbrennst, als am Leben zu bleiben?«
»Ohne Michele gehe ich nirgendwohin.«
»Dann musst du zu ihm. Nicht mal er ist so irre, in den zweiten Stock eines brennenden Gebäudes zu laufen, nur um …« Sie zögerte. »Nur weil er es versprochen hat.«
Ein diffuser Glanz erschien in Valeries Augen.
In diesem Moment ließ Iole sich fallen. Sackte in sich zusammen, als hätte sie das Bewusstsein verloren. Nur dass sie wach war. Und sich wieder einmal klüger anstellte, als alle es ihr zugetraut hatten.
Valerie war einen
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