Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
sie so dasaß, desto weniger wollte sie Vergeltung. Es war, als wäre Valerie bereits tot, ganz sicher die Valerie von damals, die sie einmal gemocht und, ja, bewundert hatte, weil sie immer ein wenig mutiger, schlagfertiger und erwachsener gewesen war. Hatte Rosa sich damals in ihr getäuscht? Hatte sie sich ein falsches Bild von ihr erschaffen, eine Projektionsfläche für all das, was sie selbst gern gewesen wäre?
    »Rosa!« Iole war aus einem der Seitenzimmer des Korridors zurückgekehrt. »Komm und schau dir das an.«
    Rosas Hand war mit der Pistole verwachsen, sie spürte die Kugel im Magazin wie einen Teil von sich selbst. Die Valerie von damals existierte nicht mehr. Es war nicht nötig, das Mädchen zu töten. Wer immer da am Boden lag – liebesblind, drogenkrank, verletzt –, war eine andere. Die Valerie, der sie den Tod vielleicht gewünscht hätte, war längst fort. Die Zeit und Rosas Erwachsenwerden hatten sie ausradiert, und was immer die Pistolenkugel noch bewirken mochte, sie konnte nichts ungeschehen machen.
    Sie blickte zu Iole auf, durch einen Schleier aus Schweißund Tränen. Einen Moment lang sah es aus, als stünde das Mädchen auf einer Bühne, umgeben von Trockeneis.
    Rauch quoll durch den Korridor auf sie zu, ein dünner, grauer Streifen über dem Boden. Iole trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Sie kämpfen unten im Hof«, sagte sie aufgeregt, »Alessandro und der Leopard gegen die großen Hunde. Sie haben ein paar von ihnen umgebracht.«
    Rosa glitt seitlich von Valeries Rücken und erhob sich mit schmerzenden Knien. »Steh auf«, sagte sie zu ihr.
    Valerie bewegte sich, noch immer flach auf dem Bauch, als wollte sie davonkriechen. Aber ihre Glieder erschlafften, als die Schmerzen zu heftig wurden. Ein Stöhnen drang aus ihrer Kehle und wurde zu Worten: »Michele kommt, um mich zu holen.«
    »Glaubst du das wirklich?«
    »Er ist hier, weil ich ihn darum gebeten habe.«
    »Er ist hier, weil er sich an Alessandro rächen will.«
    Val stieß ein röchelndes Lachen aus. »Das denkt er. Aber er konnte gar nicht anders. Er liebt mich.«
    Besorgt sah Rosa, wie sich der Rauchteppich auf sie zuschob. Mit der freien Hand packte sie Vals Arm und versuchte, sie hochzuziehen.
    Valerie schrie auf.
    Rosa hatte gar nicht bemerkt, dass Iole schon wieder verschwunden war, aber jetzt stürmte sie erneut aus einem der Zimmer auf den Gang. »Es brennt im Erdgeschoss! Ich glaube, in mehreren Flügeln!«
    Etwas Dunkles bewegte sich am Ende des Korridors, ein schwarzer Buckel, der durch den Qualm pflügte und immer schneller wurde. Ein Knurren erklang, als gefletschte Zähne nach Rauchschwaden schnappten.
    Rosa riss die Pistole herum.
    »Nein!« Iole sprang in ihr Schussfeld und riss die Arme hoch.
    Sarcasmo machte einen Satz, als Iole gerade zu ihm herumwirbelte. Dann stand er auf den Hinterbeinen und schleckte ihr aufgeregt das Gesicht. Sie drohte nach hinten umzukippen, fand ihr Gleichgewicht wieder und umarmte ihn.
    Valerie hustete erbärmlich. Sie wollte den Oberkörper hochstemmen, aber ihr Gesicht befand sich weiterhin im Qualm.
    »Los!« Rosa trieb Iole und Sarcasmo in Richtung des Korridors. »Wir müssen hier raus!«
    Sie schob einen Arm unter Valeries Achsel und zog sie mit aller Kraft nach oben. Diesmal gelang es ihr. Val heulte auf, und einen Moment lang schien es, als wollte sie Rosa erneut mit sich zu Boden reißen. Dann aber fand sie genug Halt, um sich an ihrer Seite durch den Rundbogen zu schleppen. Iole und Sarcasmo liefen vorneweg.
    »Benutzt die Dienstbotentreppen«, rief Rosa Iole zu, »und dann durch die Küche nach draußen.« Sie hoffte, dass die Hundinga sich auf den Kampf mit den Panthera im Innenhof konzentrierten.
    »Was ist mit euch?«, rief Iole.
    »Wir kommen schon hinterher.«
    »Warum lässt du sie nicht liegen?«
    Valerie lachte. »Weil Rosa noch immer glaubt, dass sie was Besseres ist. Wenn sie mich sterben lässt, dann wäre sie genau wie der Rest. Jemand, der sich einen Dreck um andere Menschen schert.«
    Rosa ließ sie fallen.
    Valerie prallte auf die Knie, schlug mit der Schulter, dann mit der Seite auf den Boden.
    »Spar dir den Mist«, fauchte Rosa.
    Iole stieß einen Pfiff aus, dann verschwand sie mit Sarcasmo hinter der Gangbiegung. Rosa war drauf und dran ihr zufolgen. Stattdessen rannte sie ohne Valerie in eines der angrenzenden Gästezimmer und blickte durch das hohe Fenster hinab in den Innenhof.
    Nur eine einzige Lampe oberhalb der Treppe zum Haupteingang

Weitere Kostenlose Bücher