Arkadien 02 - Arkadien brennt
sind«, fuhr er fort. »Es ist an der Zeit, wieder wir selbst zu sein. Und es hat bereits begonnen. Auch du bist ein Baustein des Wandels, Rosa.«
»Ich.«
»Lamien haben sich immer von anderen Arkadiern unterschieden. Darum gibt es nicht mehr viele von euch. Ihr habt euch aufgelehnt und eure eigenen Ziele verfolgt. Hinterlist und Tücke waren seit jeher eure schärfsten Waffen.«
»Ich mag’s eigentlich ziemlich direkt«, sagte sie und dachte an ihren Tacker.
»Ihr seid Schlangen. Euer Gift wirkt langsam und im Verborgenen. Ich hätte ahnen müssen, dass es Costanza war, der ich die letzten dreißig Jahre hinter Gittern zu verdanken habe. Stattdessen habe ich an die gefälschten Beweise geglaubt, die auf die Carnevares gedeutet haben. Wusstest du, dass sie einmal meine engsten Vertrauten waren?«
Sie nickte.
»Heute habe ich da draußen andere treue Helfer. Sie sind effektiver, als es die Carnevares jemals waren. Ich sollte deiner Großmutter dankbar sein. Die Zeit in meiner Zelle hat mir die Augen für neue Verbündete geöffnet. Bald werde ich diesen Ort verlassen, und das verdanke ich ihnen.«
Rosa sah zu, wie er die Finger an der Scheibe krümmte. DieHandfläche zog sich einige Zentimeter zurück, wurde dunkler, während die Fingerkuppen als Halbkreis aus hellen Punkten vor dem schwarzen Hintergrund schwebten. Rosa konnte den Blick nicht davon lösen.
»Ist es wahr«, fragte sie, »dass es die Lamien waren, die Lykaon vom Thron Arkadiens gestürzt haben?«
Die Hand verschwand abrupt in der Finsternis. Auch sein Umriss war kaum noch zu sehen. Er musste einen Schritt zurückgetreten sein. »Ich hätte Grund genug, jeder von euch den Tod zu wünschen«, sagte er nach einer Pause, ohne ihre Frage zu beantworten. »Aber auch ich habe meine Lektion gelernt. Es war falsch, mich von meinem Wunsch nach Rache an den Carnevares leiten zu lassen. Ich will einen Neuanfang, keine Vergeltung. Die Dynastien haben zu lange Gangster gespielt, ihre Geschäfte als Clans der Cosa Nostra sind ihnen wichtiger geworden als ihre Abstammung und Bestimmung. Wenn sich die Dinge ändern sollen, dann muss das durch frisches Blut geschehen. Neue Oberhäupter, denen es nicht darum geht, den Drogenmarkt in Paris oder Immobilienfonds in Hongkong zu kontrollieren. Komm an meine Seite, Rosa, und alle Verfehlungen deiner Vorfahren werden vergessen. Und wenn der junge Carnevare lernt, dass sein Vermächtnis als Arkadier bedeutender ist als sein Erbe als capo , dann soll auch er mir willkommen sein.« Er setzte erneut eine wirkungsvolle Pause, dann fügte er hinzu: »Das ist mehr, als du von den anderen Clans zu erwarten hast. Sie alle verachten euch für eure Liebe. Und wie lange mag es dauern, bis sie herausfinden, dass du Beziehungen zu dieser Richterin unterhältst?«
Auch davon wusste er? Sie hätte es ahnen müssen.
»Früher oder später«, sagte er, »werden sie dich und den Carnevare töten. Viele wollen es jetzt schon, eure eigene Verwandtschaft schmiedet Pläne, euch aus dem Weg zu räumen. Ich dagegen biete euch die Zukunft.«
»Die Hundinga wollten mich umbringen«, wandte sie ein. »In Ihrem Auftrag.«
»Sie sollten euch beobachten, euch Respekt einflößen«, widersprach er. »Es ist immer mit Risiken verbunden, die Hunde von der Kette zu lassen, und diesmal sind sie zu weit gegangen. Ich habe das nicht gewollt, und sie haben dafür bezahlt. Schau in die Zeitungen. Es gab einen Hubschrauberabsturz vor der Küste.«
Je länger er redete, desto mehr verfiel er in den Tonfall eines Feudalherrn. Dass er vom König Lykaon besessen war, stand außer Frage; ob von einer Wahnidee oder einem Geist, spielte letztlich keine Rolle. Sobald er hier herauskam, würde wieder er es sein, der über die anderen gebot.
»Ich habe getan, was Sie von mir verlangt haben«, sagte sie. »Ich habe Ihnen Beweise gegen Trevini geliefert. Und ich bin hergekommen, weil Sie mit mir reden wollten. Werden Sie Alessandro jetzt in Frieden lassen?«
Sie hatte ein langes Schweigen erwartet. Große Theatralik, um ihr zu zeigen, wie klein und ohnmächtig sie im Vergleich zu ihm war. Aber stattdessen sagte er nur: »Natürlich.«
Sie schob den Plastikstuhl nach hinten und wollte zur Tür gehen.
»Irgendwann«, sagte er, »werde ich dich um einen Gefallen bitten. Vielleicht wird er groß und bedeutend sein, vielleicht auch nur ganz klein. Aber du wirst ihn mir erfüllen.«
Sie blieb mit dem Rücken zu ihm stehen, auf halbem Weg zur Tür.
»Du wirst das
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