Arkadien 02 - Arkadien brennt
gut?«, fragte Rosa mit gerunzelter Stirn.
Iole nickte. »Und Alessandro?«
»Nervt die Krankenschwestern.« Mit Verschwörermiene beugte sie sich vor. »Er ist der schrecklichste Patient der Welt. Aber verrat’s ihm nicht.«
»In den Fernsehserien sind das die, die am Ende die Oberschwester heiraten.«
»Die ist mindestens sechzig. Außerdem wird er morgen entlassen.« Rosa seufzte. »Eigentlich entlässt er sich selbst. Ich glaube, danach werden sich alle betrinken und ein Feuerwerk veranstalten.«
Iole drehte sich einmal im Kreis. »Ich könnte hier noch ewig bleiben«, schwärmte sie.
»Das würde Signora Falchi nie mitmachen. Die Hundinga hat sie heil überstanden, aber das hier wäre wohl ein Kündigungsgrund.«
Iole strahlte. »Innen ist es noch schöner!«
Sie nahm Rosa bei der Hand und führte sie die Stufen zur Haustür hinauf.
Am späten Nachmittag saßen sie mit Augusto Dallamano im Wintergarten der Villa, einem klapprigen Glasanbau an der Rückseite des Anwesens. Von außen drängte der Garten bis an die Fenster. Zwischen Türmen aus Büchern standen zwei Sesselund eine Couch. Rosa und Dallamano saßen sich gegenüber, während Iole das Sofa für sich hatte. Auf ihrem Schoß lag ein Albinokater, schneeweiß mit roten Augen; er schnurrte genüsslich, während sie ihn streichelte.
Dallamano war erst vor einer halben Stunde nach Hause gekommen. Offenbar betrieb er drüben in der Quinta da Regaleira irgendwelche Forschungen. Rosa hatte gewusst, dass er sich seit dem Fund der Statuen mit Bildhauerei beschäftigte; die Entdeckung, die er gemeinsam mit Ioles Vater gemacht hatte, lag sechseinhalb Jahre zurück, Zeit genug, sich einiges an Wissen anzueignen. Dennoch erstaunte sie, dass er sich den Mysterien der Quinta mit solchem Ehrgeiz widmete. Dallamano war Akademiker – Ingenieur, wenn sie sich recht erinnerte – und Bücher waren ihm nicht fremd. Auf sie selbst, die gerade mal die Highschool zu Ende gebracht hatte, machte das mehr Eindruck, als ihr lieb war.
Er trug das dunkle Haar noch immer schulterlang und wirr, doch er versteckte sich nicht mehr hinter dem voluminösen Vollbart von damals. Stoppeln lagen wie ein Schatten auf Kinn und Wangen. Im Brunnen der geheimen Weihe hatte er einen Nadelstreifenanzug angehabt; heute trug er eine kakifarbene Arbeitshose mit vielen aufgesetzten Taschen und einen braunen Pullover. Beides war mit Staub bedeckt, den er nach seiner Ankunft nur notdürftig abgeklopft hatte.
Er hatte sich im Sessel zurückgelehnt und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Der Aschenbecher stand auf einem wackeligen Bücherstapel neben der Armlehne. Sein dunkler, intensiver Blick war durch die Qualmschwaden auf Rosa gerichtet.
»Iole sagt, es gehe ihr gut bei dir«, brach er das Schweigen.
Rosa sah sie zweifelnd an. Es war erst wenige Tage her, dass Iole von Val mit einer Pistole bedroht worden war.
Iole blickte von dem Albinokater auf, schenkte Rosa ein stummes Lächeln und widmete sich wieder dem Tier.
»Ich tu mein Bestes«, sagte Rosa.
»Sie hat eine Privatlehrerin, hat sie berichtet. Das ist gut. Iole hat eine Menge nachzuholen.«
»Sie wollte Sie unbedingt wiedersehen, Signore Dallamano. Sie beide müssen sich sehr gernhaben.«
Er hielt die Zigarette reglos in der Hand und starrte in den Rauch, der sich von der Glut emporkräuselte. »Mein Bruder hat sich nicht immer so viel Zeit für seine Tochter genommen, wie nötig gewesen wäre. Jemand musste sich um sie kümmern.«
Rosa erinnerte sich an etwas, das Iole ihr erzählt hatte. »Sie haben ihr Schießen beigebracht. Da war sie, ich weiß nicht, acht? Vielleicht neun?«
»Ich war ein anderer Mensch damals.« Seine Anwandlung von Reue erstaunte sie. »Heute würde ich manches anders machen, und nicht nur diese Sache.«
Iole warf Rosa einen Blick zu, der nicht schwer zu deuten war: Dass sie mit einer Waffe umgehen konnte, hatte ihnen beiden am Monument von Gibellina das Leben gerettet.
»Warum bist du hier?«, fragte er Rosa. »Iole ist allein nach Portugal geflogen. Sie hätte auch ohne dich den Weg zurück gefunden.«
»Können Sie sich das nicht denken?«
»Mehr Fragen? Über die Statuen in der Straße von Messina?« Er inhalierte den Rauch und ließ ihn genüsslich über die Lippen entweichen. »Ich habe dir und deinem Carnevare-Freund alles erzählt, was ich weiß.«
»Die Statuen sind fort«, sagte sie. »Jemand ist uns zuvorgekommen.«
Er holte tief Luft und sah dabei aus, als wäre er einen
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