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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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vor ihr auf, rollte auf reifenlosen Speichen durch Pflanzenschlick. Das Gefährt kreuzte Rosas Weg, sie konnte das Quietschen seiner Achsen hören, wie es lauter und wieder leiser wurde. Als der Wagen sich bereits von ihr entfernte, blickte sie ihm nach und sah, dass in dem Gitterkorb ein Bündel lag, mit strampelnden Armen und Beinen. Aus dem metallischen Quietschen wurde Kindergeschrei.
    Da änderte sie ihre Richtung und rannte im Halblicht dem Kinderwagen nach. Die Scheinwerfer des Taxis folgten ihr, und aus Memory wurde das fröhliche The Girls and the Dogs von ScottWalker; der schnelle Takt machte ihren Wettlauf mit dem Kinderwagen zu einer Slapstick-Nummer. Lacher vom Band ertönten, als sie stolperte und sich die Knie aufschürfte. Blutwolken stiegen auf, das Gelächter wurde noch lauter.
    Sie blickte über die Schulter und sah, wer am Steuer des Taxis saß. Tano winkte ihr zu und grinste. Sie erkannte ihn trotz der Sonnenbrille und der ausgespülten Schusswunde, die einen Teil seiner Stirn zerfetzt hatte. Neben ihm wippte Valerie aufgeregt auf dem Beifahrersitz, sie trug ein T-Shirt mit dem Logo der Suicide Queens . Auf der Rückbank saß Michele und wedelte mit einer Maschinenpistole, in deren Lauf eine Rose steckte.
    Sie versuchte noch schneller zu laufen, um den Kinderwagen einzuholen. Die spitzen Enden der Speichen wirbelten Dreck auf, bis der Wagen in den treibenden Schwaden kaum mehr zu sehen war. Aber Rosa rannte weiter, auch dann noch, als die Distanz immer größer wurde und die Speichen in hektischem Zeitraffer rotierten. Nicht fair, dachte sie empört, während Tano die Lautstärke aufdrehte und Scott Walkers Timbre den See zum Vibrieren brachte.
    The girls
    They’re not what they seem
    They all have a scheme
    They call it a dream.
    Tano hupte im Takt, bis Michele ihm von hinten eins mit der Waffe überzog. Valerie lachte hysterisch und zappelte herum. Das Taxi geriet ins Schlingern, und Tano nahm eine Hand vom Steuer, griff durch das Loch in seinem Kopf und schob etwas zurecht, das der Schlag in Unordnung gebracht hatte. Daraufhin fuhr das Fahrzeug wieder ruhiger.
    Rosa blickte nach vorn; vielleicht hatte sie das die ganze Zeit über getan und wusste dennoch, was hinter ihr geschah.Was zählte, war allein, dass sie den Kinderwagen erreichte. Der knallte plötzlich mit den Vorderspeichen gegen einen Stein und löste sich in seine Bestandteile auf. Das schreiende Bündel wurde in die Höhe geschleudert und trudelte gemächlich durchs aufgewühlte Wasser, so langsam, dass Rosa es im Laufen auffangen konnte.
    Sie presste das Kind an ihre Brust, es war in ein Tuch voller Lackflecken gehüllt. Ein hübscher kleiner Junge. »Ich heiße Nathaniel«, sagte er.
    »Ich weiß.«
    Eine Katzenpfote schoss unter dem Tuch hervor, Krallen rissen Furchen in Rosas Gesicht.
    Nathaniel lachte mit Tanos Stimme.
    Tano im Taxi schrie wie ein Neugeborenes.
    Rosa ließ das Kind los und sah zu, wie es von einer Strömung fortgerissen wurde. Blut waberte vor ihren Augen. Sie hörte das Taxi hinter sich näher kommen, stürmte wieder vorwärts, halb blind in einem Kokon aus Rot.
    Dann ging es mit einem Mal aufwärts, der Boden stieg immer steiler an. Die Reifen des Wagens blieben im Schlamm stecken, der Motor heulte auf, Tano ebenfalls, und Valerie lachte noch lauter.
    Rosas Kopf stieß durch die Wasseroberfläche, dann durch laublose Äste. Sie schlüpfte durch Gitterstangen, die viel zu eng für sie waren und sie trotzdem nicht aufhalten konnten. Licht umfing sie, gelbe Straßenlaternen, grellweiße Scheinwerferkegel.
    Vor ihr hielt ein Taxi. Sie riss die Tür auf und glitt hinein. Am Rückspiegel pendelte eine Kinderhand. Vielleicht nur ein Zweig.
    Sie nannte eine Adresse, dann sank ihr Kopf zur Seite.
    Sie träumte und alles wurde gut.

Gemma
    R osa spürte jede Pore ihres Körpers, jeden Nerv, jeden einzelnen Berührungspunkt mit den Fasern des Bettzeugs.
    Sie öffnete die Augen und blickte in die Vergangenheit. Sie lag in ihrem alten Zimmer, im Haus mit dem Brandfleck an der Fassade. Sie erkannte ihren Kleiderschrank, ihre Kommode mit dem Spiegel voller aufgeklebter Fotos und Post-its, ihr Regal mit Taschenbüchern, die alte Kompaktanlage zwischen Stapeln von selbst gebrannten CDs, ein paar Poster, ein weiteres Foto, größer und gerahmt, von Zoe.
    Ihre Schwester war tot, daran erinnerte sie sich. Tot wie Tano Carnevare.
    Die Zimmertür stand offen, draußen klapperte Geschirr.
    Mattias Gesicht flirrte durch ihre

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