Arkadien 02 - Arkadien brennt
setzte sich auf und zog die Beine mitsamt dem Bettzeug an den Körper, schlug die Arme darum und legte die Wange aufs Knie. Sie beobachtete ihre Mutter, das lange helle Haar mit dem Rotstich, den schlanken Körper, dem nicht einmal die ewigen Nachtschichten, das Fast Food und zu viel Wein etwas anhaben konnten. Gemma würde immer eine gut aussehende Frau bleiben, ganz gleich, was das Schicksal noch für sie bereithielt.
Rosa ließ den Blick über die Wände streifen, die Möbel, die Fotos am Spiegel. Schwer vorstellbar, dass dies einmal ihr Leben gewesen war. Alles hier war ihr fremd.
»Du hast nie was gesagt«, sagte sie. »Über die Verwandlungen. Die Dynastien. Aber du hast es die ganze Zeit gewusst.«
Gemma fuhr herum, das Gesicht gerötet. »Ich wollte nicht, dass du es ausgerechnet von Florinda erfährst«, sagte sie heftig. »Aber ich konnte nicht …« Sie brach ab, suchte nach Worten. »Ich hatte schon Zoe an sie verloren, und ich wusste, dass es falsch war, deine Herkunft … und alles vor dir zu verheimlichen. Aber ich konnte nicht anders. Ich hab’s versucht und es ging nicht. Mit dir darüber zu reden wäre gewesen, als ob –«
»Als ob Dad noch hier wäre. Als wäre er nicht gestorben.«
Ihre Mutter starrte sie an. Erst nach einer Weile fragte sie leise: »Was hätte ich sagen sollen? Dass du dich irgendwann in eine Schlange verwandeln wirst?«
»Zum Beispiel.«
Gemma ließ sich rückwärts gegen die Kommode sinken und stützte sich mit beiden Händen ab. »Und du glaubst, das wäre dann einer von diesen Mutter-Tochter-Momenten geworden wie bei den Gilmore Girls. «
»Es wäre ehrlich gewesen.«
»Ich hab jahrelang hilflos mit ansehen müssen, wie du wieder und wieder auf ein Polizeirevier gebracht und verhört worden bist. Du warst noch ein Kind! Und selbst da haben sie dich nicht in Ruhe gelassen. Weil du eine Alcantara bist. Weil du diesen verfluchten Namen geerbt hast.« Sie gestikulierte energisch, aber nach einem Augenblick verließ sie die Kraft. »Weil irgendwer geglaubt hat, dass eine Dreizehn-, Vierzehnjährige ihnen etwas über die gottverdammte Mafia erzählen kann!« Sie lachte bitter auf. »Über Verbrechen, die von Leuten begangen werden, denen sie nie begegnet ist und die am scheißanderen Ende der Welt leben!«
»Ich hab mir meine Familie nicht ausgesucht, Mom. Das hast du getan.«
»Ich habe mir deinen Vater ausgesucht. Sonst gar nichts.«
»Und dann waren plötzlich zwei Töchter da. Mist aber auch.«
» Das hab ich nicht gemeint, und das weißt du!«
»Ist dumm gelaufen, schon klar.«
Gemma stieß sich von der Kommode ab, machte aber nur ein paar zögerliche Schritte und blieb mitten im Zimmer stehen. »Du bist nie einfach gewesen, Rosa, aber so gemein warst du nicht, bevor du zu ihnen gegangen bist.«
»Zumindest sie sind ja jetzt kein Problem mehr für dich, nicht wahr, Mom?« Rosa sprang auf, fühlte sich, als hätte ihr jemand vor die Stirn geschlagen, hielt sich aber auf den Beinen und ging an ihrer Mutter vorbei zum Kleiderschrank. »Zoe und Florinda sind beide tot. Vielleicht könntest du dich besser daran erinnern, wenn du zu ihrem Begräbnis aufgetaucht wärst.«
Gemma zuckte zusammen. »Ich setze nie wieder einen Fuß auf diese Insel.«
»Ja, das hast du schon gesagt. Schon ein paar Mal.«
Mit ihrer Rückverwandlung hatte Rosa die verbrannte Schlangenhaut abgestreift, aber die neue schien ihre Glieder noch nicht zusammenzuhalten.
Sie wühlte mit beiden Händen im Kleiderschrank. Alles war noch genau so, wie sie es vor vier Monaten zurückgelassen hatte. Ihre Mutter hatte nichts verändert.
Gemma sagte leise: »Hättest du dich gemeldet? Ich meine, weil du hier in New York bist und alles … Du hättest mich nicht mal angerufen, oder?«
Rosa kramte in alten Jeans und Pullovern. Die meisten waren schwarz und hatten einmal Zoe gehört. »Ich bin sogar deinetwegen hergekommen, Mom. Vielleicht war das ein Fehler.«
»Das soll ich dir glauben?«
»Glaub, was du willst.« Sie zerrte eine Hose, ein T-Shirt und einen groben Wollpullover hervor. Unterwäsche war keine mehr da, also mussten es die Simpsons -Shorts tun. Als sie in die Jeans schlüpfen wollte und für einen Moment auf einem Bein stand, wurde ihr schwindlig. Sie verlor das Gleichgewicht und kippte um, einfach so.
Ihre Mutter war blitzschnell bei ihr und fing sie auf.
Rosa fluchte auf Italienisch.
»Das ging ja schnell«, sagte Gemma.
Rosa wollte sich von ihr lösen, aber ihre Mutter
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