Arkadien 02 - Arkadien brennt
aggressiv, nur hilflos. »Schau dich doch um! Ist es das, was du gewollt hättest für dein Kind? Crown Heights, dieses Loch hier?« Sie lehnte resigniert den Kopf zurück gegen den Türrahmen, atmete tief durch und sagte leiser: »Es gibt noch etwas, das ich dir verschwiegen habe.«
Überraschung!, dachte Rosa.
»Einen Tag nachdem du Zoe am Telefon erzählt hast, dass du schwanger bist, hat Florinda mich angerufen. Sie hat mir dasselbe Angebot gemacht wie Costanza all die Jahre zuvor: dass ich dich mit dem Kind zu ihr schicken soll.«
»Sie hat dir Geld angeboten?«
»Florinda war nicht so plump wie ihre Mutter. Sie hat mir versprochen, dass es dir und dem Baby nie wieder an irgendwas fehlen würde. Und dass es dir, sobald du achtzehn bist, auch freistehen würde, für mich zu sorgen.« Ihr Lachen klang eine Spur zu schrill. »Für mich sorgen. Genau so hat sie das gesagt.«
Rosa erinnerte sich an Florindas Gesicht bei ihrer Ankunft auf Sizilien, an ihr Lächeln. Vielleicht war das keine Freundlichkeit gewesen. Nur der Triumph, am Ende doch noch gewonnen zu haben.
Rosa war öfter benutzt worden, als sie bislang geglaubt hatte. Von Tano und Michele; von Salvatore Pantaleone, dem capo dei capi ; von Florinda; sogar von Zoe, die sich auf das Spiel ihrer Tante eingelassen hatte.
Die Einzige, die in dieser Reihe fehlte, war ihre Mutter. Ausgerechnet diejenige, der sie die größten Vorwürfe gemacht hatte.
»Ist dir mal der Gedanke gekommen«, fragte sie, »dass Florinda für Dads Tod verantwortlich sein könnte?«
Gemma lachte leise. »Ich war eine ganze Weile lang überzeugt davon. Die beiden hatten sich nie gemocht, und Florindahat die Geschäfte der Alcantaras geführt, nachdem Costanza krank wurde. In gewisser Weise hatte sie sich ihren Anspruch auf das Erbe verdient, und möglicherweise hat sie schließlich doch noch Gefallen daran gefunden. Vielleicht hat sie befürchtet, nach Costanzas Tod werde Davide zurückkehren und alles an sich reißen, so wie ihre Mutter es ursprünglich vorgesehen hatte. Florinda hätte wirklich einen guten Grund gehabt, ihn loszuwerden.«
»Aber du glaubst nicht mehr daran?«
»Nein. Weil ich Florinda kenne … oder kannte. Und weil sie ein paar Monate nach Davides Tod nach New York kam, um sich mit mir zu treffen.«
Auch das war Rosa neu.
»Wir haben lange geredet, sie und ich, und sie hat beteuert, dass sie nichts mit seinem Tod zu tun hat.«
»Sie war eine gute Lügnerin«, wandte Rosa ein.
»Aber keine Heuchlerin. Sie hätte es gar nicht nötig gehabt, hier aufzukreuzen und mir ihr Herz auszuschütten. Aber genau das hat sie getan. Sie hat mir erzählt, wie sehr sie unter Costanza gelitten hat, schon als Kind. Auch darunter, dass Constanza Davide bevorzugt hat. Und sie hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie im ersten Moment froh war, als Davide mit mir aus Italien fortging. Bis ihr klar geworden ist, was es bedeutete, mit ihrer Mutter im Nacken den Clan zu führen. Falls Florinda überhaupt irgendwen getötet hat, dann Costanza selbst – ich hätte es verstanden. Ich weiß nicht, ob sie es getan hat, und ich hab sie nicht danach gefragt. Aber sie hat mir geschworen, dass sie keine Schuld hatte an Davides Tod. Ich meine, sie war eine Clanführerin der Cosa Nostra! Welchen Wert hätte es für sie gehabt, zu mir zu kommen und mit mir darüber zu reden? Ich hätte ihr im Traum nicht schaden können. Und bei allem, was man gegen sie sagen kann: Ich hatte damals das Gefühl, dass sie aufrichtig war.«
Rosa versuchte, all das mit ihrem eigenen Bild von ihrer Tante in Einklang zu bringen. Gewiss, sie hatte Florindas Methoden verabscheut – aber zugleich musste sie sich eingestehen, dass ihre Tante eine Frau mit Prinzipien gewesen war. Wenn Florinda ihren Bruder beseitigt hätte, dann hätte sie keinen Hehl daraus gemacht. Sie war eiskalt gewesen und zweifellos mehr als einmal über Leichen gegangen – aber sie wäre niemals um die halbe Welt geflogen, um Davides Witwe eine Schmierenkomödie vorzuspielen.
Rosa lehnte sich an das kalte Fensterglas. »Wie ist er gestorben?«
»Sekundenherztod. Beim Start einer Boeing 737 in der Businessclass. Er ist obduziert worden und Florinda hat ihn in der Kapelle des Palazzo bestatten lassen.«
»Ich hab seine Grabtafel gesehen.«
Welche Verbindung hatte es zwischen ihrem Vater und TABULA gegeben? War er wirklich eines natürlichen Todes gestorben? Und falls nicht, trug möglicherweise kein Mafioso oder Arkadier die Schuld,
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