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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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einfach nur zum Fenster hinausgestiert – und dann ist er aufgestanden und hat mir erklärt, dass er uns verlassen würde, euch und mich. Dass er fortgehen und nicht mehr zurückkehren würde. Einfach so.«
    Rosas Hände lagen fest um die Kante der hölzernen Fensterbank. Ein Splitter stach in ihren Daumen, aber sie spürte es kaum. »Er hat dich verlassen?«
    »Uns, Rosa. Nicht mich allein. Uns alle drei.« Gemmas Ton ließ Rosa zum ersten Mal begreifen, welche Beherrschung es sie gekostet haben musste, das all die Jahre über zu verheimlichen. Davide war gestorben, hatte es immer geheißen; er war verreist und unterwegs in Europa an Herzversagen gestorben. Seinen Leichnam hatte man auf Sizilien in der Familiengruftbeigesetzt. Rosa war damals vier gewesen, Zoe sieben. Gemma hatte ihnen erklärt, dass es unmöglich sei, nach Italien zu fliegen, um an der Beerdigungsfeier teilzunehmen. Rosa erinnerte sich nicht einmal mehr an die Gründe, wahrscheinlich hatte wieder einmal das fehlende Geld herhalten müssen.
    Aber davon, dass ihr Vater die Familie zuvor verlassen hatte, war niemals die Rede gewesen. Seltsamerweise war sie darüber eher erstaunt als verletzt. Es war so lange her, und er war fort gewesen, so oder so. Und dennoch traf es sie auf eine Weise, die sie überraschte und auch verunsicherte.
    »Hat Zoe das gewusst?«, fragte sie leise.
    »Nicht von mir. Ich hab’s euch beiden nie erzählt.« Gemma hob abwehrend die Hände. »Und bevor du mir mehr Vorwürfe machst, weil ich dir auch das verheimlicht habe, versetz dich nur mal in meine Lage. Ich war völlig vor den Kopf gestoßen, als er mir sagte, dass er gehen würde. Wir hatten Probleme, sicher, aber wer hat die nicht, mit zwei kleinen Kindern, ohne Geld, aber mit dem Wissen, dass da all dieser Reichtum ist, fast greifbar, aber eben nur fast … Er hätte euch nur mitnehmen und zurück zu Costanza gehen müssen. Stattdessen hat er sich von ihr losgesagt, hat nie wieder ein Wort über sie verloren und alle Entbehrungen in Kauf genommen, ein Leben hier in diesem Viertel, in dieser Bruchbude. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, wir wären immer glücklich gewesen. Und ich bin sicher, er hat Sizilien vermisst, das weite Land, die Einsamkeit in den Hügeln, das Mittelmeer … Aber ich glaube nicht, dass irgendetwas davon der Grund für seine letzte Entscheidung war. Sehnsucht oder Unzufriedenheit oder einfach nur Enttäuschung – das alles hätte ich euch erklären können. Aber dass er gar nichts gesagt hat, keine Begründung lieferte … Wie hätte ich das zwei Mädchen in eurem Alter klarmachen sollen?« Gemma ließ sich im Türrahmen zu Boden sinken und starrte auf ihre angezogenen Knie. »Also wollte ich warten, biser sich noch einmal meldet, bis wir noch einmal über alles gesprochen hätten.«
    »Hast du gehofft, dass er zurückkommt?«
    Gemma schüttelte den Kopf. »Ich hab ihm in die Augen gesehen, als er gesagt hat, dass er geht. Und er sah so entschlossen aus, vielleicht war es auch Angst, die –«
    »Angst?«
    »Da war ein Ausdruck, den ich bei ihm nie zuvor gesehen hatte. Fast Panik.«
    »Was hätte ihm einen solchen Schrecken einjagen können? Irgendwas, das er über Costanza erfahren hat?« Sie benutzte jetzt absichtlich den Namen, weil Gemma in einem Recht hatte: Rosa hatte die alte Frau nicht gekannt, und das Wort Großmutter klang nach einer Nähe, die niemals existiert hatte.
    »Er hat mir nicht gesagt, mit wem er geredet hat oder worüber«, sagte ihre Mutter. »Er hat auch während des Telefonats kaum ein Wort gesprochen.«
    »Nachdem er gegangen ist, hast du da noch einmal was von ihm gehört?«
    »Nichts. Bald darauf rief Florinda mich an und sagte, dass er tot sei. Sein Herz sei schwach gewesen, hätten die Ärzte festgestellt – tatsächlich sei es ein Wunder gewesen, dass er überhaupt so alt geworden ist. Vielleicht ist ja doch etwas dran am Fluch, der auf den männlichen Nachkommen der Alcantaras liegt.«
    »Nathaniel ist nicht tot wegen irgendeines Fluchs. Das wäre sehr bequem, nicht wahr? Aber so war es nicht.«
    »Du kannst mir nicht ein Leben lang die Schuld daran geben. Ich wusste genau, wie schwer es ist, Kinder ganz allein und mit mehreren Jobs durchzubringen – und ich war keine siebzehn! Wie hättest du denn –«
    »Du hast einfach nur Angst davor gehabt, noch eines am Hals zu haben.«
    »Und dafür verurteilst du mich?« Gemma hatte jetzt beide Hände am Boden zu Fäusten geballt, aber es wirkte nicht

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