Arkadien 02 - Arkadien brennt
hellbraunen Fassade war Putz abgeplatzt. Auch die Figuren aus Tuffstein, die aus Nischen und von der Dachkante herabblickten,hatten eine Restauration dringend nötig. Schmiedeeiserne Balkongitter ließen erahnen, wie prunkvoll das Anwesen einmal gewesen war. Heute wirkte es vernachlässigt und morbide.
Die Limousine rollte durch den Tortunnel unter dem Vorderhaus. Das Beet im Zentrum des Innenhofs war noch immer dicht überwuchert, die vier Fassaden rundum hatten die Farbe von Terracotta, das zu viele Winter im Freien gestanden hatte.
Der Wagen hielt am Fuß der Doppeltreppe, die hinauf zum Haupteingang im ersten Stock führte. Rosa kam dem Fahrer zuvor und stieß die Autotür auf. Der Geruch von mürbem, durchfeuchtetem Gestein war selbst im Hochsommer allgegenwärtig; im Februar ließ er sich erst recht nicht verleugnen. Einmal mehr überlegte sie, ob es nicht besser wäre, sich eine andere Bleibe zu suchen. Noch eine Entscheidung, die sie immer wieder vor sich herschob.
Wildes Hundegebell ertönte, als ein schwarzer Mischling die Stufen herabraste, auf Rosa zusprang und im nächsten Moment die Vorderpfoten auf ihre Schultern legte. Ausgelassen schleckte er ihr über das Gesicht und verschluckte sich vor Aufregung.
»Hey, Sarcasmo«, brachte sie hervor, ging in die Hocke, zog den Hund mit nach unten und umarmte ihn. Grinsend strubbelte sie durch sein wolliges Fell, kraulte ihn hinter den Ohren und vergrub das Gesicht an seinem Hals. »Ich hab dich vermisst, Kleiner. Hmm, du riechst noch immer genauso gut.« Kein Wunder, lag Sarcasmo doch von morgens bis abends auf den antiken Sofas und Teppichen des Palazzo. Nachts kroch er zu Iole ins Bett und schnarchte, was das Zeug hielt.
Der Fahrer trug ihr Gepäck ins Haus und wäre im Eingang beinahe mit einer zierlichen Frau zusammengestoßen, die in diesem Moment ins Freie stürzte. Sie trug eine Brille mit Drahtgestell und eine weiße Bluse. Ihre Jeans hatte Bügelfalten.
»Signorina Alcantara!«, rief sie aus, als müsste sie im nächsten Augenblick der Schlag treffen. »Signorina, wurde auch Zeit, dass Sie wieder da sind!«
Rosa knuddelte Sarcasmo ein letztes Mal, dann erhob sie sich. Der Hund raste vorneweg ins Gebäude, als sie die Stufen hinaufstieg und durch einen Schleier ihrer verwuschelten Haare die Lehrerin erkannte. Raffaela Falchi war Mitte dreißig, sah aber fünfzehn Jahre älter aus und schien es aufgegeben zu haben, dagegen anzukämpfen. Sie wirkte bieder und ein wenig matronenhaft, und genau das war auch der Grund, weshalb Rosa ihren eindrucksvollen Referenzen vertraute. Einer Frau wie Signora Falchi wäre es niemals in den Sinn gekommen, ihre Vita in den Fälscherwerkstätten Siziliens beschönigen zu lassen. Auch als Spitzel der Staatsanwaltschaft schien sie ungeeignet. Letztlich aber hatte Rosa die Auswahl ihrem Sekretariat in Piazza Armerina überlassen. Ihre eigene Highschool-Zeit lag kaum mehr als ein Jahr zurück; sie fühlte sich vollkommen ungeeignet, ausgerechnet die Kompetenz einer Lehrerin zu beurteilen.
»Signorina Alcantara!«, rief Raffaela Falchi zum dritten Mal, und spätestens jetzt wünschte sich Rosa einen Pulk ihrer verhassten Berater herbei, um sich hinter ihnen zu verstecken.
»Ciao, Signora Falchi«, grüßte sie freudlos.
»Ihre Cousine, also, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll …«
Rosa strich sich missmutig die blonden Strähnen aus dem Gesicht. Sie hatten Iole als Rosas Cousine ausgegeben, um lästigen Fragen aus dem Weg zu gehen. »Haben wir Sie nicht eingestellt, damit Sie das allein regeln?«
Die Lehrerin plusterte sich auf, und weil sie noch immer einige Stufen über Rosa auf der Treppe stand, gab sie dabei eine durchaus einschüchternde Figur ab. »Iole spricht nicht mit mir, und es wäre wünschenswert, wenn Sie nicht denselben Fehler machen würden, Signorina Alcantara.«
Rosa seufzte. »Was ist passiert?«
»Iole erscheint nicht regelmäßig zum Unterricht. Sie führt Selbstgespräche. Sie schmiert in ihren Heften herum. Manchmal summt sie vor sich hin, und nicht einmal melodisch. Sie missachtet meine Autorität.« So ging es weiter, und Rosa machte in Gedanken Häkchen hinter die Beschwerden, die sie schon vor ihrer Abreise zu hören bekommen hatte. »Sie schminkt sich während des Unterrichts. Und sie macht Lalala , wenn ich sie bitte, mir zuzuhören.«
»Lalala?« Rosa hob eine Augenbraue.
»Laut!«
»Und dann?«
»Nichts, dann! Sie macht es eben.« Die Lehrerin rang die Hände. »Gestern
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