Arkadien 02 - Arkadien brennt
strahlte Wärme aus. Das Innere des Geheges ähnelte einem Krater, mit abgestuften Felsen, in denen dunkle Nischen und Öffnungen klafften. Weiter unten gab es einen Teich; er hätte aus Glas sein können, so still und schwarz lag er da. An seinem linken Ufer hatte sich die Nacht zu einem unförmigen Ballen verhärtet.
»Das Rudel«, sagte Alessandro.
»Wittern sie dich nicht?«
»Die meisten schlafen. Aber sieh mal da … und dort.« Er deutete auf mehrere Stellen in den Schatten der Felsen und sie erkannte, dass sie längst beobachtet wurden. Raubkatzen saßen starr wie Statuen auf steinernen Erhebungen. Je länger Rosa hinsah, desto deutlicher erkannte sie funkelnde Augen inmitten der Silhouetten. Das Licht der Lampen auf dem Vorplatz brachte sie zum Glimmen.
»Sie überwachen den Schlaf der anderen«, sagte Alessandro.
Sie rückte ein wenig näher an ihn heran. Er legte den Arm um ihre Taille. Sie spürte, wie sich seine muskulöse Brust schneller hob und senkte und dabei fester an ihre presste. Seine Hand schob sich unter ihr langes Haar, streichelte ihren Nacken. Spürte er die Kälte nicht, die nun auch ihre Lippen erreichte?Ihre Hände strichen an seinem Rücken hinunter und sie war jetzt sicher, dass unter der Lederjacke und dem Pullover Pantherfell auf seiner Wirbelsäule wuchs und sich über die Schulterblätter ausbreitete.
Lächelnd neigte sie den Kopf. »Was hast du vor?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Du hast mich hergelockt«, sagte sie mit gespielter Empörung, »um –«
»Um dir zu zeigen, wie ich gelernt habe, es zu beherrschen.« Er verzog den Mundwinkel. »Klappt nur nicht so gut, wenn wir gerade das hier machen.«
Sie erwiderte sein Grinsen und ließ ihn los. »Also?«
»Ich muss da reingehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Musst du nicht.«
»Mir passiert nichts. Sie kennen mich.«
Zweifelnd sah sie von ihm zu den reglosen Wächtern auf den Felsen. Sie wirkten wild und ungebändigt – selbst in Gefangenschaft.
Als sie wieder in Alessandros Augen blickte, glühten sie im Dunkeln smaragdfarben wie die der Raubkatzen.
»Du verstehst es, oder?«, fragte er sanft.
Sie schüttelte den Kopf. Aber vielleicht war das vorschnell.
Unter den älteren Arkadiern ging die Legende um, dass die Seelen der Verstorbenen nach dem Tod in ein neugeborenes Tier ihrer Rasse schlüpften; dass kein Arkadier je wirklich starb, sondern ein ewiges Leben in den Körpern von Tieren führte, von einer Generation zur nächsten. Falls das die Wahrheit war, standen die Chancen nicht schlecht, dass einige der Raubkatzen in diesem Gehege früher Menschen gewesen waren, Vorfahren Alessandros und der anderen Panthera.
Sie schüttelte den Kopf, ungläubig und zugleich fasziniert. » Sie haben es dir beigebracht?«
Er nickte und verneinte gleich darauf. »Ich bin noch nichtso weit. Es funktioniert manchmal, aber längst nicht immer. Trotzdem können wir es von ihnen lernen.«
Unruhe kam in das schlafende Rudel am Grund des Geheges. Eines der Tiere erhob sich, schlenderte zum Wasser und trank. Dann kehrte es zurück zu den anderen und rollte sich wieder am Boden ein.
»Wie lernen?«, fragte sie.
»Indem wir akzeptieren, dass wir wie sie sind. Wir müssen uns ihnen ausliefern. Es ist ein bisschen wie Meditieren.« Er hob die Achseln, als sei es ihm unangenehm, das zu sagen. »Indem wir eins mit ihnen werden.«
»Möge die Macht mit dir sein und so?«
»Ungefähr.«
Er strich ihr durchs Haar, dann ganz leicht am Arm hinab bis zu den Knöcheln. Seine Hand griff nach ihrer. »Der Hungrige Mann und die anderen, die den alten Zeiten nachtrauern, all dem Morden und Jagen … sie lenken einen davon ab, dass Arkadien nicht nur mit Barbarei und Blut zu tun hat. Es gibt auch noch etwas anderes. Etwas sehr … Schönes.«
»Und ich soll hier stehen bleiben, während du da reingehst?«
»Du kannst mitkommen, wenn du willst.«
»Mein Bedarf an Panthera ist seit New York gedeckt.« Sie fühlte seine Hand, spürte seine Haut auf ihrer. »Mehr oder weniger.«
Er gab ihr einen Kuss, dann ließ er sie los und bewegte sich am Gitter entlang. »Warte hier.«
Sie war drauf und dran, ihm zu folgen, aber dann blieb sie doch stehen und sah ihm hinterher. »Wie du meinst.« Sie forschte nach der Kälte von vorhin und stellte überrascht fest, dass sie nachgelassen hatte.
Im Dunklen hörte sie Scharniere knirschen, als er eine Tür in der Seitenwand des Geheges öffnete. Sie konnte ihn nichtmehr sehen, aber irgendwo
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