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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Carnevares gewesen war. Und Spitzel des capo dei capi . Und Informant der Richterin.
    Rosa fragte sich, was Fundling wohl noch gewesen war, von dem sie nichts ahnten.
    »Er sieht friedlich aus«, sagte die Krankenschwester, die gerade frische Blumen an sein Bett gestellt hatte.
    »Er sieht tot aus«, sagte Rosa.
    Die Schwester rümpfte die Nase, schien etwas erwidern zu wollen, ließ sich dann aber vor Rosas finsterem Blick abschrecken und ging aus dem Zimmer.
    »Von wem sind die Blumen?«, fragte Rosa.
    »Das gehört hier zum Service«, sagte Alessandro. »Jeden Tag ein frischer Strauß.« Er stand vor der Fensterfront des Einzelzimmers. Draußen reichte ein gepflegter Garten bis zum Rand der Klippe, auf der sich die Klinik erhob. Die Wellenkämme funkelten in der Abendsonne wie Rubine.
    »Verschwendung«, sagte sie mit Blick auf die Blumen.
    »Sie wählen welche aus, die besonders intensiv riechen.«
    »Wegen des Leichengestanks?«
    »Er ist keine Leiche.«
    Sie setzte sich auf Fundlings Bettkante und berührte seine Hand. »In seinem Schädel hat eine Kugel gesteckt, die wer weiß was dort angerichtet hat. Er liegt seit vier Monaten imKoma. Was unterscheidet ihn von einem Toten? Abgesehen davon, dass er atmet.«
    »Sie sagen, wenn es hart auf hart kommt, dann muss ich die Entscheidung treffen, was mit ihm passieren soll.«
    »Ihr seid nicht mal verwandt.«
    »Das interessiert hier niemanden. Offiziell ist er gar nicht in dieser Klinik.«
    Sie sah zu ihm auf. »Du hast ihn doch aus einem öffentlichen Krankenhaus verlegen lassen. Wie –«
    »In seinen Akten dort steht jetzt was anderes.«
    »Du hast ihn für tot erklären lassen?« Das hätte sie nicht erstaunen dürfen. Auf groteske Weise bestätigte es das, was sie gerade gesagt hatte.
    Alessandro drehte sich zu ihr um. »Ich hab schon schlimmere Entscheidungen getroffen, die mir trotzdem leichter gefallen sind. Aber hier geht’s nun mal um Fundling. Er und ich, wir sind zusammen aufgewachsen. Dieses Wort Verstorben in seinen Unterlagen zu lesen war fast genauso schlimm, wie ihn hier liegen zu sehen. Aber jetzt wird niemand mehr Fragen stellen, was damals in Gibellina wirklich passiert ist. Außerdem ist er nur sicher, solange keiner weiß, dass er hier ist. Es hat sich herumgesprochen, dass er für die Richterin gearbeitet hat. So was vergeben die Clans einem nicht, das weißt du.«
    »Aber er liegt im Koma!«
    »Es ist nicht lange her, da sind hier auf Sizilien Säuglinge in Säurefässer geworfen worden, weil ihre Väter als Kronzeugen gegen die Cosa Nostra ausgesagt haben. Glaubst du, dieselben Leute würden sich durch Fundlings Zustand davon abbringen lassen, ihn ein für alle Mal zum Schweigen zu bringen?«
    »Noch mehr Schweigen geht kaum.«
    »Fundling wird wieder aufwachen, irgendwann.«
    »Ach ja?«, fragte sie niedergeschlagen.
    Er presste die Lippen aufeinander, bis alles Blut daraus entwichen war. Dann nickte er. »Ja.«
    Sie wandte sich wieder dem Bett zu. Die Schwester hatte Recht gehabt: Auf den ersten Blick sah Fundling friedlich aus. Nur wenn man genauer hinsah, schien es, als tobte hinter dieser leblosen Maske ein stummer Kampf. Rosa war nicht sicher, was sie darauf brachte. In den ersten Tagen hatten seine Augen hinter den Lidern gezuckt, aber das war längst abgeebbt. Jetzt waren seine Züge vollkommen leblos, und dennoch meinte sie, dahinter Regungen zu erkennen. Als könnte sie ihn denken sehen, fühlen sehen.
    Ihr fiel auf, dass die Blumenvase das Foto verdeckte, das Iole an Fundlings Krankenbett gestellt hatte. Das Bild von Sarcasmo, Fundlings Hund. Rosa stand auf, schob die Blumen beiseite und zog den Rahmen näher an den Rand des Nachttischs. Vielleicht war es unsinnig, aber sie wollte, dass Fundling das Foto sah, falls er je die Augen wieder öffnete. Er und Sarcasmo waren unzertrennlich gewesen, und auch nach vier Monaten spürte sie jeden Tag von neuem, wie sehr das Tier ihn vermisste.
    Vielleicht hörte er genau, was sie sprachen. Es kam ihr sonderbar vor, mit ihm zu reden, solange jemand dabei war – selbst wenn es sich um Alessandro handelte –, und sie beschloss, beim nächsten Mal allein herzukommen.
    Alessandro folgte ihrem Blick auf das Hundefoto und lächelte traurig. »Iole sagt, dass sie ihn nicht mehr hergeben wird, egal, was passiert.«
    »Sie liebt ihn heiß und innig.«
    »Ich hab mit ihr telefoniert, während du fort warst. Sie klang fröhlich. Der Unterricht scheint ihr gutzutun.«
    »Sie treibt ihre Lehrerin

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