Arkadien 02 - Arkadien brennt
das mit ihm in einen Raum und hinaus auf diese Terrasse wehte.
»Signorina Alcantara.« Seine Mundwinkel verzogen sich, wurden eins mit seinen zahllosen Falten. »Ich freue mich, dass wir uns endlich wiedersehen.«
Der Wind vom Meer fegte Rosas Pferdeschwanz über ihre Schulter nach vorn, aber das weiße Haar des Avvocato blieb vom Luftzug unberührt. Vielleicht hatte er die wenigen Strähnen, die ihm geblieben waren, mit Pomade angelegt. Seine Lippen waren schmal und farblos, so als presste er beim Lächeln narbige Hautränder aufeinander.
Sie ging ihm entgegen und warf verstohlen einen Blick auf ihre beiden Leibwächter, die reglos in schwarzen Anzügen am Rand der Terrasse standen. Schon bereute sie, dass sie sich von Alessandro hatte überreden lassen, die Männer mitzunehmen.
Sie gab Trevini die Hand. »Avvocato.«
»Sie haben meine Botschaft erhalten«, stellte er fest.
»Sie haben nicht auf meine Fragen dazu geantwortet.«
»Weil manche Dinge von Angesicht zu Angesicht besprochen werden müssen.«
Sie machte gute Miene zum bösen Spiel. »Deshalb bin ich hier.«
»Begleiten Sie mich ein Stück.«
Er lenkte den Rollstuhl am Geländer der Terrasse entlang. Die Contessa blieb zurück.
Rosa ging neben ihm her, zwanzig, dreißig Meter weit, bis sie sich außer Hörweite der anderen befanden. »Ich vermisse meine Geschäftsführer und all die anderen Nervensägen, die sich sonst bei jeder Gelegenheit auf mich gestürzt haben«, sagte sie. »Seit ich aus den USA zurück bin, lassen sie mich in Ruhe. Ich nehme an, das habe ich Ihnen zu verdanken.«
»Sicher legen Sie nach der anstrengenden Reise Wert auf ein wenig Ruhe.«
»Was haben Sie denen erzählt? Dass fortan Sie die Entscheidungen in allen wirtschaftlichen Belangen treffen werden?«
»Wäre Ihnen das denn lieber?«
Sie war bemüht, sich nicht von der milchigen Membran ablenken zu lassen, die über seinem rechten Augapfel lag. »Was hätte wohl meine Großmutter getan, wenn Sie schon damals Ihre Befugnisse in einem derartigen Ausmaß übertreten hätten?«
Er lächelte. »Ich säße gewiss nicht mehr hier.«
Mit einem Seufzen umfasste sie das Geländer und schaute hinaus auf die See. Ein paar einsame Jachten kreuzten vor der Küste. Nicht einmal im Februar blieb Taormina gänzlich von Touristen verschont. Es gab kaum einen anderen Ort auf Sizilien, der so viele Reisende anzog wie diese Stadt hoch über dem Meer.
»Ich hasse das, was Sie hier versuchen, Avvocato«, sagte sie leise. »Sicher finden Sie das dumm, aber: Ich hab einfach keine Lust darauf. Nicht auf Sie, nicht auf Ihre schäbigen Tricks, nicht auf diesen ganzen Mist.«
»Aber gegen all das Geld haben Sie keine Einwände, nicht wahr?«
Zornig wirbelte sie herum und bemerkte zugleich, dass die Bewegung ihre Leibwächter alarmierte. Mit einem Kopfschütteln gab sie ihnen zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.
»War das wirklich nötig?«, fragte Trevini mit Blick auf die beiden Männer.
»Sagen Sie es mir.«
In sein Lächeln mischte sich ein Hauch von Wärme. »Was bringt Sie nur auf die Idee, dass ich Ihnen Böses will?«
»Ich bin für Sie ein Ärgernis, Avvocato Trevini. Ein lästiges Vermächtnis meiner Tante, mit dem Sie sich wohl oder übel herumschlagen müssen.«
»Sehe ich aus, als wollte ich mich mit jemandem schlagen?«
»Warum haben Sie mir dieses Video geschickt?«
»Um Sie zu warnen. Und bevor Sie auch das falsch verstehen: nicht vor mir. Nur vor dem Umgang, den Sie pflegen.«
Sie wandte das Gesicht in den Wind und schloss für zwei, drei Sekunden die Augen. »Wissen Sie, wie leid ich es bin, das zu hören? Meine Familie ist ganz zerfressen von der Angst vor den Carnevares. Die Geschäftsführerinnen in Mailand und sonst wo, meine sogenannten Berater, alle beschwören ein Verhängnis nach dem anderen herauf. Viele ältere Männer machen sich eine Menge Gedanken über mein Sexualleben. Vielleicht sollte mir das zu denken geben, und nicht, wie ich zu Alessandro Carnevare stehe.«
In Trevinis gesundem Auge blitzte es spöttisch. »Mich hat nie interessiert, was die Alcantara-Frauen hinter verschlossenenTüren treiben. Ich kümmere mich lediglich um die Geschäfte des Clans, sein finanzielles Wohlergehen, Profite und Gewinnmargen.«
»Aber die Verantwortung trage ich.« Große Worte, an die sie selbst nicht glaubte.
»Den Carnevares ist nicht zu trauen. Das sollten Sie niemals vergessen.«
»Ich schlafe nicht mit den Carnevares, Avvocato. Nur mit einem von
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