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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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durchzukommen.«
    »Glaubst du, er gehört zu TABULA?«
    »Hätte TABULA denn ein Interesse an den Statuen?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Eben. Wir wissen gar nichts.« Er machte keinen Hehl aus seiner Ratlosigkeit, und es tat gut, ihn auch einmal so zu erleben. Ohne Antworten. Ohne Vorschläge. Ohne irgendeinen Ausweg.
    »Das sind einfach zu viele Dinge, die ich nicht verstehe«, sagte sie. »Und jetzt auch noch mein Vater. Kann nicht irgendwas mal ganz einfach sein?«
    »Was hast du zu Trevinis Vorschlag gesagt?«
    »Was meinst du?«
    »Als er dir vorgeschlagen hat wegzugehen. Einen Haufen Geld einzupacken und von hier zu verschwinden.«
    »Dass er sich ins Knie ficken kann. So ungefähr jedenfalls.«
    »Er hat Recht.«
    »Was?« Sie starrte ihn an, sein feines Profil, das im Indigolicht der Dämmerung aussah wie mit einer Feder gezogen. »Das sagst ausgerechnet du?«
    »Ich hab darüber nachgedacht«, gestand er. »Nicht nur einmal.«
    »Red keinen Blödsinn. Du bist genau da, wo du hinwolltest.«
    »Aber du bist mir wichtiger.«
    »Ich lauf dir nicht weg.« Sie versuchte es mit einem Lächeln. »Du hast eine Sauna. Und ’nen klasse Pool. Um nichts in der Welt würde ich darauf verzichten.«
    »Vielleicht gehen wir trotzdem fort, irgendwann.«
    »Klar.« Sie glaubte nicht eine Sekunde daran.
    »Kann ich sie mir ansehen? Die Pelze?«
    »Komm morgen vorbei. Vielleicht schaffst du’s, bevor die Dorfbewohner mit Fackeln den Berg heraufmarschieren, um das Ungeheuer auf den Scheiterhaufen zu stellen.«
    »Deine Großmutter war ein Ungeheuer. Aber du bist keins.«
    Sie riss theatralisch die Augen auf. »Reptil? Drei Meter lang? Wie klingt das für dich? Aber, hey, das ist mein Leben: Mein Freund verwandelt sich in das schönste Tier der Welt, und was wird aus mir? Godzilla.«
    Er zog sie an sich, und sie war dankbar dafür. Oft ahnte er, was ihr guttat, noch bevor sie selbst es wusste. Aber warum passierte ihr umgekehrt nie das Gleiche? Fiel es ihm deshalb so leicht zu sagen, dass er sie liebte – und ihr so schrecklich schwer? Wie lange hatte sie um Zoe getrauert? Nicht lange. Was empfand sie für ihre Mutter? Nicht genug. Konnte sie womöglich gar nicht so wie andere lieben? War in Wahrheit das ihr Problem?
    Er küsste sie, und während ihre Zungenspitzen sich berührten, dachte sie: Natürlich liebe ich ihn, mehr als irgendetwas auf der Welt.
    Als seine Hände unter ihr Hemd krochen und Rosas Finger seine Arme berührten, von dort aus die Brust – das alles ineinem Gewirr aus Deckenzipfeln, verwickelten Shirts und Shorts, ein bisschen ungelenk und gerade deshalb doch ganz sie selbst –, da wurde vieles egal und anderes wichtiger, und sie dachte: Lass nicht zu, dass dich die Schlange beherrscht!
    Sie spürte das Pantherfell in seinem Nacken und die Schuppen auf ihren Händen. Sie hörte, wie beides aneinanderrieb, und das Geräusch ließ sie erzittern bis ins Mark. Wie sanfte Stromschläge, ein zartes Vibrieren, das lange anhielt, viel länger als sonst, ehe schließlich doch noch die gefürchtete Kälte kam und die Verwandlung und das Ende von etwas, das nicht einmal richtig begonnen hatte.
    Schlängelnd und schnurrend lagen sie zwischen den Zinnen beieinander, nicht in der Lage, Mensch zu bleiben. Aber für den Augenblick war es trotzdem in Ordnung, weil es ihre Natur war, ihre Gemeinsamkeit; und vielleicht sogar ihre Bestimmung, wenn sie es nur genug wollten.

Gewissheit
    W as hast du denn vor?« Iole eilte hinter Rosa her über den Innenhof des Palazzo. Hektisch wischte sie sich Spinnweben aus dem Gesicht, die sie sich an der Tür des Werkzeugraums eingefangen hatte.
    Rosa lief vorneweg zum Tortunnel unter dem Vorderhaus. Ihre Schritte hallten unter der gewölbten Decke wider, kaum gedämpft von den wattigen Schimmelflecken, die wie Gewitterwolken über ihr hingen. Eine Spitzhacke lag schwer in ihren Händen, aber trotz des Gewichts wurde Rosa noch schneller.
    »Rosa! Lass mich dabei sein, wenn du was kaputt machst!« Ioles Stimme schien im Tunnel von allen Seiten zugleich zu kommen, obwohl sie mehrere Meter hinter Rosa durch das Halblicht hastete. Das Mädchen trug eine weite Leinenhose und einen weißen Rollkragenpullover; sie wirkte erwachsener darin als in den Sommerkleidern. Ihr kurzes schwarzes Haar schimmerte fast bläulich, als sie aus dem Tortunnel ins Freie rannte.
    Ein Blick über die Schulter bestätigte, was Rosa befürchtet hatte: Iole hatte Signora Falchi im Schlepptau. Was kein Wunder

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