Arkadien 02 - Arkadien brennt
loderte hell wie eine Flamme.
Auf See
E insam kreuzte die Gaia auf dem Mittelmeer. Der Abend dämmerte, die ersten Sterne erschienen am klaren Himmel. Es war noch immer warm, um die fünfzehn Grad, und das Wasser reflektierte die erleuchteten Bullaugen der Jacht.
»Was ist Liebe für dich?«, fragte Rosa.
Alessandro musste nicht einmal nachdenken. »Wenn ich nachts wach liege und mir klar wird, dass ich irgendwann sterben muss – und mir das trotzdem nichts ausmacht, weil jemand bei mir ist, wenn es so weit ist.« Er musterte sie von der Seite. »Und für dich?«
»Flitterwochen in der Bronx.«
»Romantisch.«
»Eben nicht. Leute fahren in die Flitterwochen nach Paris oder Wien oder Florenz, damit sie in den ersten Wochen keine Zeit haben, sich zu streiten. Da gibt es so vieles zu besichtigen, so vieles, um sich abzulenken. Sie betäuben die Gegenwart mit der Geschichte. Aber wenn man sich wirklich liebt, dann hält man auch ein paar Wochen Bronx aus. Oder Detroit. Oder Nowosibirsk. Dann geht es nicht um Denkmäler und Museen. Nur um den anderen und um einen selbst. Und das ist dann Liebe.«
Sie hatten es sich in der Sitzecke auf dem Oberdeck bequem gemacht und blickten in die Flammen der zwei Dutzend Windlichter, die auf dem Tisch und am Boden verteilt waren. In ihrem Schein waren die beiden blauen Flecken auf Rosas Oberarm deutlich zu sehen, Spuren der Injektionsnadel.
Sie waren sich vorgekommen wie Junkies, als sie sich vergangene Nacht gegenseitig das Serum gespritzt hatten. Aber sie waren Menschen geblieben, eine Weile lang, und als schließlich doch die Verwandlung einsetzen wollte, hatten sie eine zweite Dosis riskiert.
Alessandro hatte sich die Flüssigkeit schon früher injiziert, bei Sportwettkämpfen und anderen Gelegenheiten im Internat, und er schwor, dass er niemals Nebenwirkungen bemerkt hatte. Rosa war das Serum zweimal gewaltsam gespritzt worden, deshalb hatte es sie zunächst Überwindung gekostet. Aber dann bereute sie es keine Sekunde; tatsächlich war sie es gewesen, die darauf bestanden hatte, noch eine Dosis zu nehmen.
Zweimal zwanzig Minuten. Im Nachhinein kam es ihr viel länger vor, und doch viel zu kurz. Ihr Vorsatz, so rasch wie möglich die Kontrolle über ihre Verwandlungen zu erlangen, war dadurch noch bestärkt worden. Sie wollte nicht auf ein ominöses Serum angewiesen sein, harmlos oder nicht. Früher hatte sie sich standhaft geweigert, Diätcola und Energydrinks zu trinken, wegen all der Gifte, die angeblich darin steckten. Und jetzt spritzte sie sich irgendeinen Mist, der noch dazu – falls sie mit ihren Vermutungen richtiglagen – vom Todfeind der Arkadier entwickelt worden war. Und sie konnte es trotzdem kaum erwarten, den Injektor das nächste Mal zu laden.
Alessandro war barfuß, er trug nur verwaschene Jeans und ein helles T-Shirt. Sie mochte seine Füße. Auf dem Spann hatte seine Haut denselben Braunton wie auf der Brust und den Oberarmen. Im Kerzenschein der Windlichter schimmerte sein Körper wie Bronze.
Rosa ruhte mit dem Hinterkopf in seinem Schoß und ließ zu, dass er ihre wirren blonden Strähnen aus der Stirn schob. Er tat das oft und sehr zärtlich, aber sie musste sich nur bewegen und schon war ihr Haar wieder so zerzaust wie zuvor. Typisch, dachte sie resigniert, nicht mal meine Frisur hab ich im Griff.
Sie waren mit der Jacht hinausgefahren, um ungestört zu sein. Das Sofa, auf dem sie nun schon den ganzen Tag faulenzten, war aus edlem weißen Leder und so protzig wie alles auf dieser Jacht. Alessandros Vater hatte die Gaia mit allem ausgestattet, was teuer war, von afrikanischen Holztäfelungen in den Salons bis hin zu vergoldeten Wasserhähnen. Alessandro war das peinlich. Mehr als einmal hatte er davon gesprochen, die Gaia zu verkaufen. Dass er es nicht tat, hatte mit dem Namen der Jacht zu tun. Dem Namen seiner toten Mutter.
Rosa trug ein schwarzes Top und einen kurzen Rock. Sie fand ihre Knie zu rot und ihre Waden zu blass, aber ihn schien es nicht zu stören. Bei ihm hatte sie zum ersten Mal nicht das Gefühl, in einen Wettbewerb zu treten. Ihre Familien mochten miteinander konkurrieren; sie beide taten es nicht.
Er küsste sie auf die Stirn, die Nasenspitze, die Lippen. Sie legte die Hand um seinen Hinterkopf, zog ihn abermals zu sich herab und hielt ihn fest, bis sie beide keine Luft mehr bekamen und loskicherten.
»Tun die noch weh?« Er deutete auf die blauen Flecken rund um die Einstiche.
»Ach was.«
Er gab einen unwilligen
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