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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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beherrschten und sich nach Herzenslust an Menschenfleisch satt fraßen.
    Rosa nahm Alessandros Hand. »Was will er von dir?«
    »Er hasst meine Familie. Die Carnevares waren lange seine engsten Vertrauten, bis er von jemandem verraten wurde und uns die Schuld daran gegeben hat.«
    »Habt ihr ihn denn verraten?«
    Er hob die Achseln. »Ich weiß es nicht. Und ich glaube auch nicht, dass das noch eine Rolle spielt. Er hat geschworen, sich an uns zu rächen, vor mehr als einem Vierteljahrhundert. Und jetzt ist es an der Zeit für ihn, neue Stärke zu demonstrieren. Er dezimiert nach und nach meine Familie – das, was davon noch übrig ist –, und er beginnt am äußeren Rand, bei den amerikanischen Carnevares. Mit jedem Mord tastet er sich näher heran, und irgendwann werde ich an der Reihe sein.«
    Wie lange wusste er schon davon? Das, was zwischen ihnen war, war noch immer zu verletzlich, um zu viele Geheimnisse auszuhalten. Wann würde der Punkt erreicht sein, an dem die Belastung zu groß wurde?
    »Du stehst ganz am Ende seiner Todesliste?«, fragte sie mit belegter Stimme.
    Er nickte. »Jedenfalls nehme ich das an.«
    »Wie viele hat er schon töten lassen? Nur Micheles Bruder und seine Cousins, oder auch schon andere?«
    Vielleicht bedauerte er jetzt, ihr die Wahrheit gesagt zu haben. Aber sie rechnete ihm hoch an, dass er nicht erst versuchte, sie mit Ausflüchten zu beruhigen. Auch dafür hatte sie ihn so schrecklich gern.
    »Einer meiner Großcousins in Catania ist vorgestern erschossen worden«, sagte er. »Und zwei in Palermo. Falls nichts anderes dahintersteckt, dann sind seine Killer auf Sizilien angekommen.« Er rieb sich die Nase, aber es war nicht die neunmalkluge Geste, mit der er sie manchmal auf die Palme brachte; diesmal schien es schlicht Nervosität zu sein. »Er will, dass ich panisch werde. Vielleicht blindwütig um mich schlage, wie es mein Vater oder Cesare getan hätten. Am liebsten wäre ihm wahrscheinlich, wenn ich die Schuld bei anderen Familien suchen und eine Clanfehde vom Zaun brechen würde. Für ihn wäre das sehr bequem. Er müsste nur noch zusehen, wie wir uns gegenseitig schwächen, damit er bald wieder die Macht über alle Clans an sich reißen kann.«
    »Und was hast du vor?«
    »Das Naheliegende wäre, alle Carnevares zusammenzurufen. Aber lieber lasse ich mich umbringen, als mich mit jemandem wie Michele zu verbünden. Nicht nach allem, was er dir angetan hat.«
    Vielleicht hätte sie ihn bitten müssen, keine Rücksicht auf ihre Gefühle zu nehmen. Aber sie küsste ihn nur erneut, diesmal heftiger, und eine Weile lang sprachen sie beide kein Wort, selbst dann nicht, als sich ihre Lippen voneinander lösten und jeder nur den Blick des anderen festhielt.
    »Ich bin noch nicht an der Reihe«, sagte er. »Wahrscheinlich genießt er die Vorstellung viel zu sehr, dass die Morde Angst und Schrecken unter den Carnevares verbreiten. Er wird sich Zeit lassen, ehe seine Leute sich mit mir abgeben. Aber das ist es gar nicht, was mir solche Sorgen bereitet.«
    Sie hob eine Hand und streichelte seine Wange, seinen Hals. Sie wollte nur bei ihm sein, ganz nah. Wollte ihn beschützen, mehr als alles andere.
    »Um dich hab ich Angst«, sagte er.
    »Ich bin keine Carnevare.«
    »Das mit uns beiden hat sich herumgesprochen. Die Gerüchteküche brodelt, und wir haben uns keine besondere Mühe gegeben, etwas dagegen zu unternehmen. Ich dachte immer, die Gefahr droht von den anderen Clans und von unseren eigenen Leuten. Aber jetzt …« Er hielt inne, küsste ihre Handfläche, ballte ihre Finger zur Faust und schloss seine eigene Hand darum. »Jetzt könnte es sein, dass der Hungrige Mann es auf dich abgesehen hat.«
    »Auf mich?«
    Er nickte. »Wenn er mich treffen will, wenn er den capo der Carnevares wirklich verletzen will, dann muss er dich mir wegnehmen. Dann wird er versuchen, dich zu töten, Rosa.«
    »Blödsinn«, widersprach sie impulsiv, aber sie hatte das Wort nicht mal beendet, da war ihr schon klar, dass er Recht hatte. Es gab eine lange Tradition innerhalb der Mafia, einen Feind zu bestrafen, indem man jeden Menschen auslöschte, den er liebte. Somit war es nur naheliegend, dass auch sie auf der Abschussliste des Hungrigen Mannes stand.
    »Und nun?«, flüsterte sie.
    »Ich möchte, dass du nirgends mehr ohne Leibwächter hingehst«, sagte er. »Und damit meine ich nicht diese Bauerntrampel aus Piazza Armerina. Du brauchst einen Sicherheitsdienst. Spezialisten, die wissen, was

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