Arktis-Plan
mich nach wie vor deine persönliche Geschichte.«
»Ups, sorry, Pawlow’scher Reflex. Jedenfalls habe ich, nachdem ich promoviert hatte, festgestellt, dass ich keinen anständigen Lehrposten bekommen konnte. Meine Ansichten wurden in gewissen Kreisen als politisch irgendwie nicht ganz korrekt empfunden. Also bin ich, um nicht am Hungertuch zu nagen, Beglaubigerin, Schätzerin und Beschafferin seltener und historischer Waffen für Museen und private Sammler geworden. Das hat sich als ziemlich lukrativ erwiesen und mit sich gebracht, dass ich rund um die Welt gereist bin, um diverse Funde für meine Klienten aufzustöbern. Schließlich hat es mir dann das Amt des Kustos der Waffensammlung Sandoval in Kalifornien eingetragen.«
»Ich habe schon davon gehört. Aber wie bist du hierher gekommen?« , hakte Smith behutsam nach und pochte mit dem Magazin seines angelegten Gewehrs auf den Höhlenboden.
Sie biss sich einen Moment lang auf die Unterlippe, und ihr Blick war nach innen gewandt. »Das ist … eine etwas persönlichere Geschichte. Wie du dir inzwischen wohl schon denken kannst, bin ich ein hartnäckiger Verfechter der Devise ›Nägel mit Köpfen machen‹.«
»Den Verdacht hatte ich bereits.« Smith lächelte.
»Im Lauf meiner Weiterbildung habe gemerkt, dass es mich nicht zufriedenstellt, mir lediglich Wissen über Waffen anzueignen. Ich wollte lernen, wie man sie benutzt, ich wollte sehen und fühlen, wie sie eingesetzt werden«, fuhr sie fort. »Ich habe Fechten und
Kendo gelernt. In die Tricks der alten Revolverhelden im Wilden Westen haben mich die Champions unter den Scharfschützen der Single Action Shooting Society eingeweiht. Ich habe Bestechungsgelder bezahlt, um in philippinische Gefängniszellen zu gelangen und dort mit den größten Künstlern unter den Schmetterlingsmesserexperten über Techniken zu diskutieren. Vor seinem vorzeitigen Tod habe ich zu Füßen des legendären ›White Feather‹ gesessen – Sergeant Carlos Hathcock, dem meisterlichen Scharfschützen des Marine Corps, und von ihm Treffsicherheit im Gefecht gelernt. Ob Schusswaffen, Hieb- und Stichwaffen, Sprengstoff oder schwere militärische Geschütze: Ich habe mir die Prinzipien der Herstellung, Instandhaltung und Benutzung angeeignet. Alles von der Feuersteinaxt bis hin zur Wasserstoffbombe.«
Sie hob ihre Hand vom Abzug der Modell 70, öffnete und schloss ihre Finger in den schwarzen Handschuhen und betrachtete sie. »Auf diese Weise bin ich zu einer unglaublich gefährlichen Person geworden, zu einem unvergleichlich mörderischen Individuum, aber all das selbstverständlich auf einer rein theoretischen Ebene. Aber dann hat mich eine meiner Reisen nach Israel geführt, als ich einem Hinweis auf ein geheimes Waffenlager nachgegangen bin, in dem sich originale Sten Guns Marke Eigenbau aus dem israelischen Unabhängigkeitskrieg befinden sollten. Und eines Abends bin ich mit einem Historikerkollegen von der Universität Tel Aviv essen gegangen.«
Valentinas Stimme wurde sanfter. »Er war ein absolut faszinierender kleiner Mann, der Geschichte nicht nur unterrichtet hat, sondern sie persönlich miterlebt hatte. Er war ein Überlebender des Holocaust und in Israels ersten drei Kriegen um das Existenzrecht des neuen Staates im Einsatz.
Wir haben in einem kleinen Straßenrestaurant in der Nähe der Universität zu Abend gegessen. Ich erinnere mich noch daran, dass wir über die historischen jüdischen Gemeinden im Mittleren Osten als einer möglichen Brücke zwischen den europäisch-jüdischen
und den arabischen Kulturen gesprochen haben. Das Essen war uns gerade an den Tisch gebracht worden. Ich hatte ein Steak bestellt und eben mein Messer in die Hand genommen, als das elegant gekleidete arabische Paar am Nachbartisch aufgestanden ist und angefangen hat, Leute umzubringen.«
Smith hörte zu und musterte die subtilen Gefühlsregungen, die über Valentinas Gesichtszüge huschten. Er konnte spüren, dass es nicht die Erinnerung an Furcht oder Abscheu war, sondern eine abstrakte nochmalige Untersuchung eines bestimmenden Moments in ihrem Leben. Ein Zeitpunkt und ein Ort, an den diese Frau schon viele Male zurückgekehrt war.
»Ich hörte Schüsse und wurde mit dem Blut und der Gehirnmasse meines Begleiters bespritzt, als ihm eine Kugel durch den Kopf geschossen wurde. Dann hat die weibliche Hälfte des Terroristenpaares mir ihre Pistole ins Gesicht gestoßen und geschrien: ›Allah ist groß …‹«
Die Stimme der
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