Arktis-Plan
nördlich der Bucht gezogen war und die Fähre benutzte, um an seinen Arbeitsplatz und wieder nach Hause zu gelangen. Seine gefälschten Ausweispapiere würden diese Angaben bestätigen, ebenso wie die äußere Erscheinung, die er sich zu diesem Zweck zugelegt hatte: grau melierte Schläfen und eine Brille mit Drahtgestell, Pullover und lässige Hose und dazu ein teures Tweedjackett mit Wildlederflicken auf den Ellbogen, Birkenstocksandalen
und dunkle Socken. Alles würde dem Bild entsprechen, das seine Personalien in der Vorstellung eines dummen Polizisten oder Sicherheitsmannes heraufbeschwören würden, falls er verhört werden sollte.
Sogar der Inhalt der Papiertüte, die er affektiert auf seinen Knien abgestellt hatte, ließ sich bei jeder zufälligen Polizeikontrolle rechtfertigen: zwei Halbliterdosen Lackfarbe für Innenräume, eine Auswahl von schmalen Pinseln, ein paar robuste Schrauben und Garderobenhaken – alles Dinge, die ein frisch gebackener Hausbesitzer und Heimwerker brauchte – und einen Kassenzettel von einem Einrichtungsgeschäft im Stadtzentrum von San Francisco.
Zwischen diesen Sachen würden die Rolle Klebeband und das Teppichmesser überhaupt nicht auffällig wirken.
Bei seinen bisherigen Übergriffen hatte er ebenso große Sorgfalt an den Tag gelegt. Beim letzten Mal war er der schmuddelige, geistig zurückgebliebene Penner gewesen und davor der schlampige Lastwagenfahrer und so weiter. Die Polizei hatte keine Ahnung, auf wen sie in Wirklichkeit Jagd machte.
In gewisser Weise war es ein Jammer, dass er sich nicht für seine Kunstfertigkeit und sein Genie bewundern lassen konnte.
Von mächtigen Hydrojets angetrieben schoss die Super-Cat in nordöstlicher Richtung durch die Bucht, und die beiden parallelen Kufen, die so scharf wie Klingen waren, schnitten sauber durch die schwache Dünung. Durch die Fenster der Fähre waren glitzernde Lichter am Ufer zu sehen, als die dunstige Dämmerung anbrach. Es war die Achtuhrfähre, die letzte des Tages, und die geräumige Kabine mit etlichen Sitzreihen war zu drei Vierteln leer.
Die Frau, die er mit seiner Aufmerksamkeit beehrt hatte, saß in vorderster Reihe links. Sie mampfte zufrieden einen knackigen Apfel aus der Snackbar der Fähre und las in dem Buch, das auf ihren übereinandergeschlagenen Knien lag. Sie war eine Schönheit, was für all seine Damen galt – schließlich war der Vergewaltiger ein
echter Kenner. Eine große Dunkelhaarige mit schlanker Figur und doch vollbusig. Das mitternachtsschwarze Haar trug sie zu einem adretten Nackenknoten hochgesteckt. Sie war Mitte dreißig und hatte makellose samtweiche Haut, die leicht gebräunt war und vor Gesundheit schimmerte.
Ihre Augen waren grau und hatten gute Laune versprüht, als sie mit dem Verkäufer hinter der Theke geschäkert hatte. Sie zählte zu den regelmäßigen Fahrgästen. Jeden Dienstag und Donnerstag überquerte sie die Bucht mit der Fähre, die um zehn Uhr morgens in Vallejo abfuhr, und kehrte mit der letzten Fähre des Tages zurück.
Er war nicht ganz sicher, was sie in der Stadt tat. Aber sie war eindeutig eine modebewusste und wohlhabende Frau; ihre Kleidungsstücke waren immer erlesen geschmackvoll und von bester Qualität. Heute Abend trug sie einen schicken Hosenanzug aus grauem Kord, der zu ihren Augen passte, und dazu schwarze Stiefel mit Pfennigabsätzen.
Vielleicht würde er ihr erlauben, diese Stiefel anzubehalten, nachdem er den Rest ihrer Kleidung zerfetzt hatte; das würde eine neuartige Erfahrung sein.
Auf der Fahrt über die Bucht las sie immer in einem Buch, das sie aus der Aktentasche zog, die sie unweigerlich bei sich trug. In den Wochen der Beschattung vor dem Angriff hatte er darauf geachtet, sich so hinzusetzen, dass er die Buchtitel lesen konnte. Das war eine seiner Methoden, um in ihren Kopf hineinzublicken und seinen Vorteil auszubauen.
Aber das, was er gesehen hatte, gab ihm Rätsel auf: Anthony M. Thornboroughs Airborne Weapons of the West , The Greenville Military Manual of Main Battle Tanks und ähnliche Militärliteratur. Das heutige Buch war ein ramponierter Band mit vergilbten Seiten in irgendeiner nordischen Sprache. Nach den Illustrationen zu urteilen, befasste es sich mit Kriegsführung für Panzertruppen. Er konnte sich nicht erklären, warum eine derart elegante und äußerst feminine
Frau sich für solche Themen interessierte. Das war unverständlich und absolut unangemessen. Dafür würde er sie bestrafen.
Die Fähre fuhr
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