Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
waren, hatte sie alle Arbeit unterbrochen und den Anblick in sich aufgenommen. Die ewige Nässe des Regens hatte das Land aussehen lassen wie neu.
Es wartet nur darauf, dass wir es zum Leben erwecken, hatte sie gesagt. Es mit Menschen und mit Freude erfüllen. Ein paradiesisches Tal.
Er hatte ihrer unschuldigen Ernsthaftigkeit gelauscht und daran geglaubt, wie er noch nie an irgendetwas in seinem Leben geglaubt hatte. Niemals in all den Monaten der zweisamen Einsamkeit hatten sie gestritten. In all der Zeit hatten sie nicht ein einziges raues Wort gewechselt. Ein deutlicheres Omen für eine wundervolle Zukunft konnte es nicht geben.
Tagsüber hatten sie Seite an Seite auf den Feldern gearbeitet und jede Stunde Licht genutzt, um die Feldfrüchte anzubauen. Des Nachts hatten sie sich stundenlang und mit einer Wildheit und Intensität geliebt, die ihnen fast Angst gemacht hatte. Wenn sie hinterher in der Dunkelheit zusammengelegen hatten, hatten sie ihre geheimsten Gedanken ausgetauscht und voller Ehrfurcht über das neue Leben gesprochen, das ihre Liebe in Candices Leib heranwachsen lassen würde.
Miran fragte sich inzwischen, wie es in jenen guten Tagen gewesen war. Hatte der Xeno sie schon damals beobachtet? Hatte er sie bei ihren Liebesspielen belauscht? Ihre leise gemurmelten Geheimnisse ausspioniert? War er ungesehen zwischen den neuen irdischen Pflanzen hindurch geschlichen, ausgebracht auf einem Land, das die Menschen seinem Volk mit Blut abgenommen hatten? Hatte er den Blick gen Himmel gerichtet und die fremden Lichter gesehen, die neue Menschen brachten? Was hatte er während all der Zeit gedacht, während seine Welt vergewaltigt und erobert wurde? Und was würde er sagen, wenn er gewusst hätte, dass all das Leiden seiner Spezies letztendlich für nichts und wieder nichts gewesen war?
Miran spürte die Aufregung des Xenos, als er schließlich auf dem höchsten Punkt des Vorsprungs angekommen war. Der Fremde war stehen geblieben, während Miran die letzten Meter raues, büscheliges Gras überwunden hatte. Jetzt konnte er über den Grat zum Wasser vorstoßen, während er das Land vor sich überblickte.
Sechshundert Meter vor ihm war der Vorsprung zu Ende, versank in den schmutzigbraunen Fluten des Hochwassers. Der Boden war mit vereinzelten großen Felsbrocken übersät, und hier und dort durchzogen tiefe Falten das Land. Nichts, was dem Xeno hätte ausreichend Deckung bieten können.
Der Xeno zog sich wieder zurück, zum Ende der Landzunge hin. Miran sah keine Bewegung, nichts – doch er hatte die ganze Zeit über gewusst, dass es nicht so leicht sein würde. Das wollte Miran auch gar nicht. Mit Infrarotsensoren oder selbst Hunden hätte er den Xeno innerhalb weniger Tage aufgespürt und erledigt. Doch der Xeno sollte wissen, dass er gejagt wurde. Er sollte die alptraumhafte Hitze der Jagd spüren, sollte wissen, dass der Gegner mit ihm spielte, sollte die Qualen und Eingeweide zerfressende Erschöpfung jeder Kreatur spüren, die langsam und unermüdlich in die Enge getrieben wurde. Der Xeno sollte leiden, wie Candice gelitten hatte. Er sollte die Heimsuchung spüren, wie Miran die Geister spürte.
Mit langsamen, bewussten Schritten setzte sich Miran in Bewegung. Er hielt den Laser schussbereit in der Armbeuge, während er angespannt auf jede noch so verstohlene Bewegung achtete – Schatten, die zwischen den Felsbrocken hindurch huschten, ein paar unvermutete Wellen entlang dem morastigen Ufer, ein kondensierender Atemzug in der feuchtkalten Luft – das war etwas, das der Xeno unmöglich verbergen konnte. Welche Tarnung auch immer er benutzte, es war bedeutungslos geworden. Miran hatte ihn in der Falle. Er würde ihn stellen und mit liebevoller Präzision erledigen. Der letzte Akt dieser unvorstellbaren Tragödie. Ein Akt der Gnade für den Xeno, für die Geister, für Candice und für Miran selbst. Der Xeno war der letzte Faden, der sie in ihrem Elend verband. Sein Tod bedeutete transzendentale Güte.
Als er noch vierhundert Meter von der Landspitze entfernt war, entdeckte er die ersten Anzeichen von aufkeimender Panik in den Gedanken des Xenos. Er muss Miran gewahr sein, die tödliche, erbarmungslose Absicht, die er hegt. Kalter Humor steigt in ihm auf. Du wirst brennen, dachte er an den Fremden gerichtet. Dein Körper wird in Flammen und Schmerz vergehen. Das ist es, was ich dir bringe.
Er wollte, dass es die letzten Augenblicke seines Lebens in Elend und Qual verbrachte. Keine Würde. Keine
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